Vampirspiele gibt es nun wirklich wie Leichen am Meer – oder hieß es Sand am Meer? Wie auch immer. Normalerweise reden wir von recht guten Spielen, die aber durch generisches Gameplay schnell an Fahrt verlieren.
Vampire Therapist versucht sich in einer völlig anderen Sparte: die Visual Novel. Doch auch hier gibt es einen Kniff, da man direkt als Therapeut einsteigt und die leichten bis schweren Geistesstörungen von Vampiren, die seit Jahrzehnten, Jahrhunderten oder länger leben, behandelt.
Das alles erleben wir aus der Pespektive von Sam, einem waschechten Cowboy, der sich ein „Howdy“ einfach nicht verkneifen kann.
Dieser landet eines Tages in Deutschland, einem für ihn recht ungezügelten Land und wird von Andromachos in die Geschicke der Psychotherapie eingeführt. Was zu Beginn noch recht banal klingt, da Sam erst einmal nur in der Lage ist, Vampire in drei Kategorien einzuordnen, für die er eigene Begrifflichkeiten nutzt, artet schnell in einen kleinen Exkurs in die Psychologie aus.
Auf einmal sind Begrifflichkeiten wie „High Noon Thinking“ aus dem Repertoire gestrichen und es geht in Richtung „Labeling“ und beschreibt verschiedene „Cognitive Distortions“. Bitte nicht wundern, denn das Spiel gibt es trotz deutschen Settings nur auf Englisch. Dafür aber mit einer formidablen Synchronisation. Es ist wirklich alles synchronisiert! Das ist top und hebt das Spielerlebnis allemal.
Aber zurück zum Spielprinzip an sich: Wir können eigentlich jeweils nur Dialogzeilen durchklicken und uns dann für eine der Cognitive Distortions entscheiden. Ist diese richtig, kontert Sam in den Therapiesitzungen und es geht munter weiter. Anders sieht es aus, wenn wir falsch liegen: Dann werden wir auch mal gern gemaßregelt, entweder von uns oder unserem Lehrer.
Nach und nach behandelt Sam Patienten. Manche haben Schwierigkeiten mit ihrem Ego, andere lassen ihrem Narzissmus freien Lauf und wieder andere kommen mit über die Jahre angesammelten Problemen, die sie selbst nicht benennen können. Hierfür sind wir dann da und stellen die Probleme erst einmal vor und lassen sie dann mehr oder weniger von den Patienten aufarbeiten.
Auch wenn das Gameplay stark auf die Therapiestunden begrenzt ist und man nur ab und an mal den Sarg oder das Therapiezimmer verlässt, um sich an der Bar mit anderen zu unterhalten, zeigt das Spiel genau an diesem Punkt auch seine Stärke. Es versucht nicht mehr zu sein, was es ist und das, was das Spiel Gameplay-technisch abdeckt, ist sehr gelungen.
Es macht Spaß, die einzelnen Distortions herauszufinden, Sam auf gute Art und Weise in Gesprächen kontern zu sehen und sowohl Sams Patienten als auch er selbst entwickeln sich im Laufe der Zeit weiter.
Ob es nun um Künstler oder Verfechter der Kunst selbst geht, in Vampire Therapist werden gefühlt alle Vampire betreut. Das Schöne ist aber, dass es weit über die Vorurteile und Erwartungen, die ich jetzt an Vampire gehabt hätte, hinausgeht. Die Patienten haben sehr viel mehr Tiefe und vor allem in späteren Sitzungen bemerkt man die Unterschiede im Vergleich zu den ersten Sitzungen.
Da das Spiel sehr emotional gestaltet ist und viele psychische Krankheiten thematisch behandelt werden, und natürlich auch Sex und andere Vampirthemen im Raum stehen, richtet sich das Spiel laut Entwickler an Erwachsene – und dem kann ich voll und ganz zustimmen.
Vampire Therapist ist eine spannende, herausfordernde Visual Novel, die einen gewissen Lernfaktor hat. Mit durchschnittlich gut 9 Spielstunden ist sie mehrere Blicke und Abende wert und hinterlässt Spuren. Das, was man im Spiel erlebt hat, stimmt einen nachdenklich – und das ist etwas, was nicht viele Spiele schaffen.
Mit einem Preis von 14,79 Euro ist es die Spielzeit mehr als wert und somit ein gelungener Titel für die Special Interest-Sparte, also für all jene, die mal wieder etwas anderes spielen wollen.
Innovatives Konzept: Therapie von Vampiren als Visual Novel, einzigartiges Setting und Thema.
Tiefe Charakterentwicklung: Sowohl Sam als auch seine Patienten entwickeln sich im Verlauf des Spiels spürbar weiter.
Spannende Dialoge: Spaßiges und herausforderndes Entdecken von Cognitive Distortions
Formidable Synchronisation: Komplett vertonte Dialoge, die das Spielerlebnis intensivieren.
Emotional und nachdenklich: Behandelt tiefgründige Themen wie psychische Krankheiten, die den Spieler zum Nachdenken anregen.
Preis-Leistungs-Verhältnis: Für 14,79 Euro bietet das Spiel etwa 9 Stunden wertvolle Spielzeit.
Lernfaktor: Spieler lernen auf unterhaltsame Weise psychologische Konzepte kennen.
Authentische Atmosphäre: Das Spiel bleibt seiner Nische treu und übertreibt nicht, macht das aber gut, auf das es sich fokussiert
Vielseitige Vampirportraits: Das Spiel übertrifft gängige Vampirklischees und bietet tiefgründige, vielseitige Charaktere.
Nur auf Englisch: Trotz deutschem Setting ist das Spiel nicht in deutscher Sprache verfügbar, was einige Spieler stören könnte.
Potenzielle Repetitivität: Das ständige Klicken durch Dialogzeilen und die wiederkehrende Mechanik könnten für manche Spieler monoton werden.