Oh, shit, here we go again! Einmal im Jahr kehren wir zurück in die unendlichen Weiten des Destiny-Universums – und hin und wieder werden wir auch mal enttäuscht. Dieses Jahr ist jedoch alles anders: Die „Licht-und-Dunkelheit“-Saga ist vorbei, und wir starten mit dem Jahr der Prophezeiung in etwas völlig Neues. Eingeläutet wird das Ganze von zahlreichen Änderungen – doch fangen wir erst mal bei einem turbulenten Jahr an, nicht nur für Destiny, sondern auch für Bungie.
Marathon wurde erneut verschoben – trotz jahrelanger Entwicklung, einem ernüchternden Alpha-Feedback und den Entlassungen von über 200 Mitarbeitenden im vergangenen Jahr. Das schlägt sich spürbar auf die Content-Frequenz nieder: Die Spielerzahlen in Destiny 2 sind auf ein Rekordtief gefallen – die neue Erweiterung Edge of Fate kam nie über knapp 100 000 gleichzeitige Steam-Spieler hinaus, weniger als ein Drittel im Vergleich zu „The Final Shape“ oder „Lightfall“.
Und selbst Edge of Fate selbst stolperte direkt über Kontroversen: Kurz nach Release stellte die Community fest, dass einige Warlock-Fähigkeiten geschwächt wurden – ohne dass dies in den offiziellen Patchnotes stand. Bungie entschuldigte sich zwar und sprach von einem Versehen in der Dokumentation, doch für viele wirkte es wie ein „Stealth Nerf“ durch die Hintertür.
Leider reiht sich das nahtlos in ein weiteres Problem ein: Kein neuer Strike, nur ein neuer Raid. Aber dazu später mehr. Jetzt werfen wir erst einmal einen Blick auf das Herzstück jeder Destiny-Erweiterung – die Geschichte – und was Bungie diesmal aus der frisch aufgeschlagenen „Nach-Licht-und-Dunkelheit“-Ära macht.
Das Jahr der Prophezeiung – oder der Verwirrung?
Nachdem der Zeuge endlich besiegt ist, die Echos verschwunden sind und wir eigentlich endlich mal Zeit hätten, das Sonnensystem auf links zu krempeln und wieder richtig sicher zu machen, werden wir nach Kepler gerufen – ein kleiner Planet außerhalb unseres Sonnensystems. Der Ruf kommt in Form eines seltsamen Signals. Auf Kepler angekommen, treffen wir auf die hiesige Bevölkerung und – wie sollte es auch anders sein – auf Gefallene und die Vex.
Hier hat Bungie leider viel Potenzial für neue Gegner verschenkt. Ja, es gibt neue Gegnertypen, und einige der alten Feinde haben Updates erhalten, aber im Kern fühlt es sich immer noch nach dem Altbekannten an. Was jedoch cool ist: Wir begegnen einer neuen Alienrasse, die schon länger auf Kepler verweilt – oder sind das vielleicht gar keine Aliens? Wir werden es wohl erst einmal herausfinden müssen. Zusätzlich treffen wir auf Lodi, der eine schicksalshafte Vergangenheit mit einer unserer Freundinnen teilt.

Ich will an dieser Stelle gar nicht zu viel spoilern, denn die Story ist an sich sehr gut und ausgereift. Zwar sind einige Dialoge – vor allem auf Deutsch – immer noch schwierig, aber die Geschichte um die Neun, jene kosmischen Entitäten, denen wir schon länger über den Weg laufen (z. B. durch Xur oder die Emissärin), steht diesmal im Mittelpunkt. Da es sich um Wesen handelt, die älter sind als der Reisende, sind Ärger und Chaos natürlich vorprogrammiert. Dieses Mal beschäftigen wir uns nicht nur mit unserer eigenen Parakausalität, sondern auch mit Paradoxen und Zeitreisen – denn eine Gruppe allmächtiger Entitäten hält sich nun mal nicht an unsere lineare Sicht auf Zeit.
Alles in allem ist die Story von Edge of Fate extrem gelungen – wenn da nicht die manchmal furchtbaren deutschen Dialoge wären, die sich auf Teufel komm raus jugendlich anhören möchten. Ich sage dabei bewusst „die deutschen Dialoge“, weil die englische Vertonung einfach besser ist. Seit Jahren wünsche ich mir, dass ich die Sprachausgabe auf Englisch stellen kann, während die Texte auf Deutsch bleiben – aber leider geht das nicht.
Abgesehen davon ist die Story dieses Mal toll erzählt und macht Spaß zu verfolgen. Ich freue mich schon jetzt auf die zweite Erweiterung im Dezember mit dem Namen Renegade, die die Geschichte fortsetzen und viele Inspirationen aus Star Wars aufgreifen wird.

Doch eine gute Story ist in Destiny 2 nur die halbe Miete – am Ende sind es die Kämpfe, die Beute und die Art, wie wir uns durch die Welten bewegen, die wirklich zählen. Und Edge of Fate wirft hier ein paar neue Zutaten in den Mixer, die teilweise überraschend gut harmonieren… und teilweise wie Öl und Wasser. Zeit also, vom Erzählen ins Anpacken zu wechseln
Destroidvania: Türen, Tricks und Teleports
Ganz ehrlich, ich könnte hier jedes Jahr dasselbe über das Gunplay, die Fähigkeiten und die absolut sinnfreien Balancing-Entscheidungen schreiben, die Bungie macht. Ja, das Gunplay ist wie immer absolut top, die Fähigkeiten könnten stärker sein, und Bungie nimmt uns wie jedes Jahr einen Teil unserer Power-Fantasie – darauf kommen wir aber später noch einmal zurück, denn in Edge of Fate steht eine ganz andere Inspiration im Vordergrund.
Kepler soll zum Erkunden einladen, deswegen fehlen hier auch einige Dinge, die es vorher bei neuen Zielorten immer gab, wie zum Beispiel verlorene Sektoren. Dafür habt ihr allerdings einige neue Kräfte und Möglichkeiten – allerdings nur auf Kepler. Ihr könnt euch in einen Energieball verwandeln, ja, das kennen wir aus einem Metroid, und genau daran ist Edge of Fate stark angelehnt. Es gibt immer wieder Backtracking, bei dem ihr neue oder verbesserte Fähigkeiten nutzen müsst, um weiterzukommen.

Dazu gehört der Energieball, mit dem ihr durch kleine Öffnungen schlüpfen, Generatoren aufladen oder besondere Schilde von Gegnern entfernen könnt. Natürlich ist das noch nicht alles: Ihr könnt mit eurem neuen „Wortschatz“ neue Türen öffnen und mit grünem Zeug auf grün leuchtende Objekte werfen, um so Plattformen zu bilden.
Das hört sich jetzt nicht nach viel an, ist aber tatsächlich recht gut gemacht – gerade, wenn ihr all das irgendwie auf einmal einsetzen müsst. Und genau das ist etwas, was Destiny schon immer gut konnte: Mechaniken nutzen, die eigentlich einfach sind, aber in Verbindung miteinander ein wenig Skill erfordern – besonders bei den schweren Rätseln.
„Rätsel“ ist hier auch das richtige Stichwort: Bungie lässt euch dieses Mal nicht mehr einfach nur ballern, um in der Story weiterzukommen. Oft müsst ihr eher ein Rätsel lösen, als einen Boss plattzuballern. Aber seien wir ehrlich: Destiny wäre nicht Destiny, wenn ihr diese Rätsel nicht unter Dauerfeuer lösen müsstet.

Wie gesagt, das Gameplay von Destiny ist wie immer super – allerdings muss einem das auch gefallen. Es gibt viele, die keine so komplexen Rätsel in einem Shooter wollen, und das ist okay. Aber dann ist Destiny halt nichts für diese Spieler.
Nachdem wir uns jetzt durch Kepler geballert, gerätselt und uns in Energiebälle verwandelt haben, kommt das, was viele Hüter wirklich auf die Probe stellt: Der Grind, der Schwierigkeitsgrad und natürlich der Loot. Bungie versucht das Ganze mit dem neuen „Portal“-Feature frischer zu gestalten – eine Möglichkeit, die Aktivitäten und deren Härtegrad selbst zu bestimmen. Ob das funktioniert oder nur heiße Luft ist, schauen wir uns jetzt genauer an.
Grind, Gear und Gateway: Das Portal zu mehr Chaos
So, jetzt geht’s ans Eingemachte, denn das Endgame von Edge of Fate ist vom Start an weit weg. Ihr beginnt mit Power-Level 10 – ja, richtig, zehn. Von über 2000 runtergestuft. Das aktuelle Power-Level reicht jetzt von 10 bis 450. Wenn ihr die Story auf Legendär spielt und nicht ständig nutzlosen Loot bekommt, landet ihr am Ende vielleicht bei Level 150. Und dann: ab ins Portal.

Das Portal ist euer neuer Dreh- und Angelpunkt für Aktivitäten. Solo-Ops für Einzelgänger, Einsatztrupp-Ops für Teams, Spitzen-Ops für die Mutigen – dazu Strikes, Schlachtfelder und der Schmelztiegel. Klingt erstmal solide.
Direkt nach der Story bekommt ihr ein kleines „Portal-Tutorial“: sieben Schritte, um das System zu verstehen. Ihr wählt einen Schwierigkeitsgrad, kombiniert ihn mit positiven oder negativen Modifikatoren – je härter die Bedingungen, desto mehr Punkte. Punkte wiederum bestimmen die Qualität eures Loots.

Und hier kommt der Haken: Legendäre Ausrüstung gibt es jetzt in Tiers von 1 bis 5. Je höher das Tier, desto mehr und bessere Perks. Aber Tier 4 und 5 gibt’s erst bei sehr hohem Power-Level. Bedeutet: grinden, und zwar viel. Effektiv läuft es darauf hinaus, immer wieder dieselben kurzen Solo-Ops zu spielen, weil die in sieben Minuten erledigt sind. Einsatztrupp-Ops? Dauern länger, bringen aber nicht mehr Loot – Design-Fehler Nummer eins.
Der Grind zieht sich: Bis Level 400 gibt’s regelmäßig Upgrades, danach wird’s zäh. Loot-Verbesserungen sind nicht mehr garantiert, und bis ihr Tier 5 erreicht, vergehen Stunden – nur um dann vielleicht etwas zu bekommen, das ihr gar nicht braucht.

ist außerdem Seasonal-Hub und Event-Zentrale. Klingt nett, aber Events wie Arms Week waren ein Reinfall: neue Waffen fast unmöglich freizuschalten, Eventpass praktisch nur mit Echtgeld machbar. Sonnenwende war etwas besser, bot Bonusdrops und sommerliche Rüstungen – aber immer noch keine neuen Waffendesigns. Seit zehn Jahren dieselben fünf Vorlagen? Come on, Bungie.
Bungie verspricht Besserung, aber aktuell ist Destiny vor allem auf Hardcore-Hobbyisten zugeschnitten. Feierabend-Spieler bleiben auf der Strecke – und das merkt man besonders im Raid.
Endgame-Endstation? Zwischen Triumph und Frust
Der neue Raid ist ohne Frage ein Highlight – zumindest, wenn man auf knackige Mechaniken, gutes Teamplay und ein paar wirklich gelungene Bossphasen steht. Aber Bungie hat es sich selbst wieder schwer gemacht: falsches Power-Delta im Contest-Mode, verdächtig viele „Top-Performer“ mit fragwürdigen Methoden, und dazu Mechaniken, die selbst geübte Teams an ihre Grenzen bringen. Alles schön und gut – aber warum das Ganze, wenn am Ende trotzdem Power-Deltas dafür sorgen, dass euer hart erkämpftes Level praktisch egal ist?
Genau hier liegt das Kernproblem von Edge of Fate: Das Endgame fühlt sich an wie ein teures Fitnessstudio, bei dem man sich wochenlang abrackert – nur um am Ende festzustellen, dass der Aufzug schneller gewesen wäre. Es gibt großartige Momente, keine Frage, aber sie sind eingebettet in einen Grind, der zu oft Pflicht statt Kür ist.
Bungie hat mit dem Portal und den neuen Mechaniken mutige Schritte gemacht, aber solange Endgame-Inhalte hinter absurden Zeitinvestments und künstlichen Leveldeckeln stehen, bleibt ein schaler Beigeschmack. Spaß macht es trotzdem – nur muss man diesen Spaß hart erarbeiten. Vielleicht zu hart.