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»Crusader Kings III« – Review

»Crusader Kings III« – Review

Heutzutage werden Videospiele immer cineastischer, in dem mehr Zwischensequenzen eingesetzt werden, die Kamera actionlastig am Hinterkopf von Protagonist*innen klebt oder einfach nur alles so immersiv wie möglich erscheinen soll.

Dass auch Bücher immersiv sein können, da sie ein Kopfkino in Spieler*innen auslösen, wird dabei eher selten in Betracht gezogen. Worauf ich hinaus möchte, ist, dass auch Spiele, die auf den ersten Blick langweilig erscheinen, Spieler*innen in seinen Bann ziehen können.

Doch genug der Einleitung, denn jetzt geht es ans Eingemachte.

Das Überleben sichern

»Crusader Kings III« ist, wie der Titel vermuten lässt, bereits das dritte Spiel der Reihe. Es sieht auf den ersten Blick sehr karg, auf den zweiten sehr überfordernd und auf den letzten Blick genau richtig aus.

Einsteiger und Neulinge in »Crusader Kings III« sollten unbedingt das angebotene Tutorial spielen. Dies geht rund 30 Minuten und zeigt, was man in den Spiel alles so machen kann, machen sollte und teils sogar machen muss. Es ist kein schönes Tutorial und ja, es ermüdet auch schnell, doch es ist sehr informativ und zumindest für den spielbaren Charakter überlebenswichtig.

Man beginnt mit einem Charakter, einem König, der zu erst einmal nur ein kleines Stückchen Land, ein Kleinkönigreich anführt. Er ist nicht verheiratet, hat keine Kinder, ist dafür aber geschickt im Umgang mit der Kriegsführung. Doch was passiert, wenn er in den Krieg zieht, verwundet wird und keinen Erben hinterlässt? Nun, dann ist das Spiel schon fast vorbei bzw. für die Erblinie ist das Spiel dann auch gelaufen.

Also beginnen wir erst einmal mit der Familienplanung. Wir suchen uns eine Frau, die Kriterien erfüllt, die zu unserem Spielstil passen. „Fruchtbar“, um schnell Erben zu zeugen, vielleicht „Klug“, um auf alle möglichen Eigenschaften +1 zu erhalten und dann wäre es auch noch schön, wenn sie uns nicht von Grund auf hasst, sondern schon positiv mit 20+ Punkten gestimmt ist. Dafür haben wir eine passende Filterfunktion und erhalten nur mögliche Ergebnisse, die zu dem passen, was wir gerne hätten.

Und der Filter läuft und ..oh, nur ein Treffer. Eve heißt die Gute. Sie hört sich vom Namen her schon nach Nachkommen an. Perfekt. Dann schicken wir ihr mal einen Heiratsvorschlag und wissen im Vorhinein schon, ob sie annehmen wird bzw. wie wahrscheinlich es ist, dass sie annehmen wird.

Sie hat angenommen! Dann heißt es nun, noch ein paar Verbündete zu suchen. Irgendwie mag uns keiner so wirklich, dabei sind die anderen Herrscher viel arroganter. Doch was sich nicht mit netten Worten schnell lösen lässt, kann der Rat oder ein kleiner Komplott bestimmt schnell ändern – so in fünf Jahren.

Freiwillige“ Verbündete

Wir versuchen Geheimnisse von anderen Herrschern zu erfahren und diese als Druckmittel einzusetzen, um unser Land zu vergrößern. Wir versuchen ein Komplott gegen unsere eigenen Vasallen, um diese uns gegenüber freundlicher zu gesinnen. Fühlt sich ein Vasall einsam, weil seine Frau gestorben ist, senden wir ihm eine Neue zu bzw. unterbreiten ihm einen „Vorschlag“. Unsere eigenen Kinder – ja, Eve ist fleißig – sind auch sehr nützlich. Ist jemand etwas angesäuert und sind fünf Jahre zu lang für die Beeinflussung, schicken wir diesem ein Mündel. So lernt das Kind vielleicht sogar neue Gepflogenheiten, Religionen und mehr.

Zwischendurch können wir eigenen Charaktere leveln. Dafür gibt es unterschiedliche Skill-Trees, deren Bäume beispielsweise in der Kriegskunst einen großen Vorteil verschaffen.

Die Welt erobern

In »Crusader Kings III« folgen wir nicht einer Geschichte, wir lösen keine Quests und nehmen auch keine Quests an. Wir schreiben die Geschichte und das Leben beeinflusst diese. Mal verstirbt jemand, mal wird geheiratet, mal möchte jemand mehr Macht und mal passiert etwas vollkommen Unvorhergesehenes. Am Anfang sieht das alles sehr langweilig aus und auch der Einstieg kann ziemlich hart sein. Doch nach gut 45 Minuten laufen schon einmal die eigenen Geschichten an. Nach gut 3 Stunden treffen uns die ersten Konsequenzen unserer Entscheidungen und nach noch einmal mehr Stunden, fangen wir vielleicht sogar schon an, die Geschichte des Erben zu spielen.

Ziele setzen sich Spieler*innen in diesem Spiel selbst. Möchte man die Weltherrschaft, eine Welt nur aus schlauen Menschen oder doch lieber ein kleines Ziel nach dem anderen verfolgen, kann man dies nach eigenen Gutdünken tun. Vielleicht schaut man auch einfach, wohin einen der Weg führt und was noch so alles in der Welt passiert und reagiert dann darauf. Jeder wird sein eigenes Spiel spielen, seine eigenen Erfahrungen sammeln und vor allem das Spiel anders empfinden.

Ist es wirklich SO gut?

Es gibt unzählige Reviews, die aussagen, dass das Spiel perfekt ist. Die Grafik gibt ja an sich nicht viel her – weder positiv noch negativ. Die Geschichte ist an sich ein Puzzle, das nach und nach vom Spieler zusammengefügt und sogar noch verändert wird. Das Gameplay besteht aus Anklicken von Text. An sich scheinen das alles nicht wirklich Vorteile zu sein, die für das Spiel sprechen. Doch je länger man es spielt, desto mehr beginnt man es zu verstehen. Es wird immer besser, intensiver, immersiver und vor allem merkt man schnell, dass es der eigene Spielstand ist. Kein großer Autor schreibt einem vor, wie der eigene Charakter handelt. Man muss nicht per sé gut oder böse sein, man kann alles sein, was man möchte und das sogar tagesformabhängig wechseln. Hat man heute einen schlechten Tag, wird der lästige Vasall, der immer etwas zu meckern hat, erst aus dem Rat geworfen und dann per Mordkomplott beseitig. Hat man einen guten Tag, sucht man für ihn einen würdigen Ersatz, der schon viel für uns getan hat und regelmäßig als Verbündeter im Krieg auftaucht. Jeder Tag kann in diesem Spiel, das über Jahre hinweg geht, anders sein.

Freiheit wird in Videospielen oft kleingeschrieben, doch in diesem, in »Crusader Kings III« ist Freiheit ein ganz neuer Begriff, der zu sehr vielen Spielstunden einlädt, ohne ein Ende in Sicht zu haben. Dies ist kein Spiel, dass man nach sechs Stunden durchgespielt hat. Dies ist ein Spiel, dessen Anfang, Mitte und Ende durch Spieler*innen selbst beeinflusst wird. Dies ist euer Spiel, lieber Leser*innen. Ihr könnt es lieben, hassen und wieder lieben und werdet sehr wahrscheinlich sehr viel Spaß daran haben.

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Masterpiece
95100
Pros

Spieler*innen schreiben ihre eigene Geschichte

Sehr viel Entscheidungsfreiraum

Tolles Erbschaftssystem

Kriegsführung fühlt sich genau richtig an

Sehr durchdachtes Verbündetensystem

Komplotte als ganz großer Pluspunkt

Cons

Einstieg dauert 30+ Minuten

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