The Hundred Line -Last Defense Academy- (PC) im Test

The Hundred Line -Last Defense Academy- ist eine einzigartige Mischung aus einer gut erzählten Visual Novel und taktisch ansprechender Rundenstrategie. Ob dieser Titel auch etwas für dich ist, gerade da er auch zeitgleich mit Clair Obscur: Expedition 33 erscheint, erfährst du hier:

In The Hundred Line schlüpfst du nicht etwa in die Rolle eines gesichtslosen Kriegers unter 100 Krieger:innen. Ganz im Gegenteil: Du spielst Takumi Sumino, einen jungen Mann, dem sein Alltag überdrüssig geworden ist. In einem Fantasy-Tokio erlebt Takumi tagtäglich denselben Tag, durchläuft dieselben Abläufe und … langweilt sich. Da kann noch nicht einmal seine zuckersüße Kindheitsfreundin und potenzieller Love Interest Abhilfe schaffen.

Die Langeweile artet aber ganz schnell zu einem Albtraum aus. Schon immer hat sich Takumi gefragt, was es mit dem Alarm auf sich hat. Wenn dieser ertönt, müssen alle Bewohner:innen Tokios in Bunker untertauchen. Der Umstand ist schon so lange Gesetz, dass keiner mehr weiß, wofür der Alarm überhaupt steht – und es hinterfragt auch keiner.

Selbst seine Kindheitsfreundin, die panische Angst vor diesem Ton hat, weiß nicht mehr, wovor sie sich eigentlich verstecken. Sie wissen nur eines: Sie müssen in den Bunker, um zu überleben.

Doch dann passiert es: Takumi wird aus seinem langweiligen Leben gerissen, als er und seine Kindheitsfreundin Zeuge davon werden, was hinter dem Alarm steckt. Monster greifen an und eine seltsame Figur betritt die Bühne, um Takumi in eine für ihn völlig andere Welt zu entführen.

Mit neuen Kräften ausgestattet, die leider damit freigesetzt werden, dass er sich eine Klinge ins Herz stößt, betritt Takumi die Last Defense Academy. Doch er ist dort nicht allein. Auch andere „Schüler:innen“ sind vor Ort. Keiner weiß, was es mit den Kräften, der Schule, geschweige denn ihrem selbst ernannten Oberhaupt Sirei denn auf sich hat. Sie wissen nur eines: Sie müssen die Monster für 100 Tage in Schach halten, um wieder zurück in ihr Leben entlassen zu werden.

Dabei gestaltet sich die Aufgabe als keine einfache, vor allem dann nicht, wenn sich die Schüler:innen nicht kennen, geschweige denn sich gegenseitig vertrauen. Noch schwieriger sind da nur die Persönlichkeiten, die aufeinandertreffen. Zum Beispiel gibt es einen Schüler, der so wenig Selbstbewusstsein hat, dass er sich selbst als Krücke sieht. Ein anderer Schüler glaubt, dass ihm alle anderen nur Böses wollen, wobei wieder eine andere Schülerin Spaß daran hat, das Ganze als „Killing Game“ á la Danganronpa zu beschreiben. Aber auch der geradlinige Heldentyp, der typische Rabauke oder sogar die eiskalte Schönheit wissen ihre Persönlichkeit zur Schau zu stellen. Schwierigere Themen wie etwa ein Mädchen, das ständig brechen muss oder Zwillinge, von denen einer einen sehr extremen Schwesternkomplex hat, geschweige denn von anderen Problemchen, wie etwa einen Killerinstinkt zu haben oder etwas zu gern die Zügel in die Hand zu nehmen, sind dabei nur ein paar Beispiele. Jeder Charaktere ist wirklich gut geschrieben, denn hier werden nicht nur Stereotypen angerissen, sie werden in vollen Zügen dargestellt. Egal, wie unangebracht ein Thema ist oder auch eine Persönlichkeit, die Entwickler:innen ziehen es in den Dialogen bis zum bitteren Ende durch.

Das Mysterium rund um das Feuer, die Akademie, die Bedrohung der Menschheit, ist zwar sehr interessant und du wirst sicherlich kaum umhinkommen, darauf zu hoffen, dass es endlich weitergeht, wenn du mal eine Spielpause einlegst, doch die Charakterzeichnung unterstreicht das Ganze wunderbar.

So tiefgründig die Charaktere und das Mysterium rund um die Bedrohung auch ist, zeigt sich das Spiel auch Gameplay technisch von einer sehr guten Seite.

Zum einen wirst du viel Zeit in Dialoge investieren, die aber auch raffiniert, humorvoll und abgedreht geschrieben sind, sodass du hier sicherlich viel Spaß haben wirst.

Zum anderen gibt es aber auch die Erkundung und natürlich den Kampf. Die Erkundung ist einmal innerhalb und außerhalb der Akademie unterteilt. Du wirst also in der Akademie selbst verschiedene Räumlichkeiten besuchen können, um beispielsweise zu trainieren, den anderen Charakteren näherzukommen und auch viel deiner Freizeit damit verbringen, verschiedene Attribute durch Aktivitäten zu leveln. Das kannst du dir ähnlich wie ein Persona vorstellen.

Du kannst aber auch außerhalb der Akademie erkunden. Sobald du die Akademie verlässt, ist es besonders gefährlich. Du kannst dann á la Mensch-Ärger-Dich-Nicht auf Reisen gehen.

Du hast zum Beispiel zwei Karten auf der Hand, die jeweils eine Zahl enthalten. Je nach Zahl kannst du dich unterschiedlich weit fortbewegen und auf unterschiedlichen Feldern landen. Manche bringen Ressourcen, die du dann wiederum verarbeiten kannst, um Gegenstände für deine Mitschüler:innen herzustellen. Auf anderen Feldern kannst du aber auch auf Monster treffen, sodass Vorsicht geboten ist.

So oder so wirst du um das eigentliche Kämpfen nicht umhinkommen. Ob nun auf dem Spielbrett oder auch durch einen Alarm ausgelöst, wirst du dich ins Gefecht stürzen müssen. Mit einer kleinen Gruppe stößt du dann auf ein Taktikfeld vor. Die Gegner kommen immer in Wellen und wollen die Verteidigungskristalle zerstören. Dein Ziel ist es also, diese zu beschützen und die Gegner auszuschalten und natürlich die Menschheit zu retten.

Hört sich simpel an, ist es aber keineswegs. Du hast nur eine begrenzte Anzahl an Aktionspunkten und diese reichen nicht aus, dass jede deiner Spielfiguren auch mal dran kommt. Du musst dir also die Fähigkeiten deiner Kämpfer:innen gut anschauen und mit Voraussicht planen.

Es gibt Charaktere, die beispielsweise eine horizontale Linie von leichten Gegnern auslöschen können. Es gibt aber auch Kämpfer:innen, die rundherum Schaden anrichten oder sogar Kämpfer:innen, welche eher starke Angriffe auf einzelne Gegner richten können. Die Platzierung deiner Einheiten, ihre Stärken, sogar ihre Schwächen, musst du genau im Auge behalten, um auf „Normal“ überhaupt gegen die Wellen zu bestehen.

Es ist aber bei Weitem nicht unfair oder mit Trial and Error behaftet. Es gibt viele Wege zum Ziel, nur du musst diesen Weg erst einmal für dich ausmachen.

The Hundred Line wird dich fordern. Es wird dich gar dazu zwingen, mehr als einen Zug weit zu denken, doch wirft es dich nicht ins kalte Wasser und es lässt dich auch nicht hoffnungslos ersaufen. Es nimmt dich aber auch nicht bei der Hand, sondern gibt dir lediglich Tipps. Es belebt deine Einheiten am Ende einer jeden Welle wieder, gibt dir Lebensenergie wieder, wenn mal eine Welle mehr kommt als angekündigt und gibt dir unglaublich faire Checkpoints, sodass du selbst entscheiden kannst, ob du nur die eine Welle oder gleich den ganzen Kampf wiederholen möchtest. Das ist das Fairste im Taktikbereich, das seit Langem erschienen ist. Es ist kaum möglich, Frust aufzubauen und du wirst unglaublich schnell Erfolge im Kampf verzeichnen.

Dabei nimmt der Schwierigkeitsgrad permanent zu. Zum einen wird auf mehr Gegner und stärkere Gegner gesetzt, doch auch durch Umgebungsherausforderungen, durch geteilte Kampffelder und viel mehr Charaktere wird der Schwierigkeitsgrad angezogen und fordert dich erneut heraus.

Du kannst zwar durch Erfahrung viel in dem Spiel wettmachen und wirst stetig besser werden, doch ist ein wichtiger Faktor die Vorbereitung. Um im Schlachtfeld erfolgreich hervorzugehen, musst du Ressourcen sammeln, Gegenstände herstellen, trainieren und Punkte gut investieren. Immerhin gibt es nicht nur die Standardschläge und -Angriffe. Du kannst sogar Charaktere opfern, um flächendeckend Gegner zu eliminieren, sodass dir wirklich taktisch viel geboten wird.

Es gibt viele Spezialaktionen, die wiederum aufgeladen werden müssen. Dieses Aufladen kommt durch Aktionen, die durch Leveln wiederum dafür sorgen, dass du schneller die anderen Fähigkeiten einsetzen kannst, wie etwa einen Buff auf alle Angriffe oder Angriffsstürme, die Gegner wegfegen. Außerdem haben viele Angriffe sekundäre Boni, indem sie beispielsweise Aktionspunkte aufladen.

Ja, The Hundred Line -Last Defense Academy- ist keine leichte Kost. Der Visual-Novel-Part ist fesselnd, mysteriös, abgedreht und auch der Gameplay-Part ist fordernd, spektakulär und spannend. Und der Stil haut einfach aus den Socken.

Das Ganze ist auch noch so ressourcenschonend, dass du wirklich keinen leistungsstarken Rechner benötigst. Trotz todschicker Animationen und Effekte reicht für „empfohlen“ schon Folgendes aus:

  • Betriebssystem: Windows10/11
  • Prozessor: Intel Core i3-7100 / AMD A10-7850K
  • Arbeitsspeicher: 8 GB RAM
  • Grafik: NVIDIA GeForce GTX 950 / AMD Radeon RX 470 / Intel Arc A580
  • Speicherplatz: 32 GB verfügbarer Speicherplatz

Selbst auf dem Steam Deck läuft es übrigens butterweich und sieht auch noch gut aus, wobei du hier lieber auf ein paar FPS verzichten solltest, indem du FSR ausschaltest. Dann sieht es viel besser aus – und läuft trotzdem noch sehr gut.

The Hundred Line – Last Defense Academy- ist ein Must-have für Anime-Fans, für Freund:innen von XCOM und von Mystery-Liebhaber:innen. Es vereint einen wirklich gut geschrieben Anime, mit all seinem kruden Humor, seinen Anzüglichkeiten und ein bisschen Gewalt und bringt das Ganze auch noch im Taktikpart voll auf die Bühne. Es ist fesselnd, es ist spannend, es ist witzig – und es wird einfach auch nach Stunden nicht langweilig!

Für diesen Testbericht wurde uns ein Muster zur Verfügung gestellt.

The Hundred Line -Last Defense Academy- (PC) im Test
Story
10
Gameplay
9.5
Technik
9
Das hat mir Gefallen
Einzigartige Kombination aus Visual Novel und taktischer Rundenstrategie
Fesselnde, abgedrehte Handlung mit mysteriösen Elementen
Gut geschriebene, vielschichtige Charaktere mit der ganzen Ladung Stereotypen
Humorvolle und raffinierte Dialoge
Gameplay bietet sowohl Dialoge, Erkundung als auch taktische Kämpfe
Herausfordernde taktische Kämpfe, die strategisches Denken erfordern
Fairer Schwierigkeitsgrad mit klugen Checkpoints
Grafisch ansprechend, auch auf weniger leistungsstarken Systemen spielbar
Für Anime-Fans, XCOM-Liebhaber und Mystery-Freunde gleichermaßen geeignet
Langzeitmotivation durch fortlaufende Spannung und Vielfalt der Spielmechaniken
Das war nicht so gut
Komplexität und Vielfalt der Charaktere könnten manche Spieler:innen überfordern (manche Themen sind etwas heftig)
9.5