Death Stranding 2: On the Beach (PS5) im Test

Wenn Hideo Kojima ein neues Spiel ankündigt, ist eines sicher: Es wird groß. Nicht unbedingt im Sinne von Gameplay oder Spieltiefe – aber definitiv, was Selbstinszenierung und Trailer-Pathos angeht. Der selbsternannte Auteur, der sich nach dem öffentlich ausgeschlachteten Bruch mit Konami 2015 sein eigenes Studio aus dem Boden stampfte, genießt unter Fans Kultstatus. Ob verdient oder eher durch cleveres Marketing befeuert, darüber lässt sich streiten. Fest steht: Death Stranding war 2019 ein seltsames, faszinierendes Experiment – irgendwo zwischen Paketzustelldienst, Sozialphilosophie und Baby im Tank.

Jetzt also Death Stranding 2: On the Beach. Wieder mit Norman Reedus, wieder mit viel Nebel und bedeutungsschweren Blicken – und natürlich wieder mit Kojimas Handschrift auf jedem Pixel. Das neue Abenteuer führt uns über Mexiko und Australien, es geht wieder um Verbindung, Einsamkeit und das Ende der Welt – oder so ähnlich. Diesmal steht allerdings eine Frage im Zentrum, die fast wie eine Selbstkritik klingt: Should we have connected?

Ob das Spiel Antworten liefert – oder nur weitere bedeutungsschwere Monologe und abstrakte Zwischensequenzen – klären wir im Test. Fangen wir dort an, wo Kojima traditionell am tiefsten gräbt: bei der Story.

Story-Strandung: Zwischen Plot-Device, Dead Baby und WTF-Momenten

Die Geschichte von Death Stranding 2 setzt irgendwann nach dem Ende von Teil 1 ein. Sam und Lou leben zurückgezogen in einem Bunker irgendwo an der mexikanischen Grenze – oder vielleicht auch in Mexiko. So genau wird das nicht erklärt, was direkt zum Ton der Story passt: kryptisch, vage, bedeutungsschwanger.

Nach einem langsamen Spaziergang, musikalisch untermalt mit dem extra für das Spiel komponierten Song Minus Sixty One, kehren wir mit Lou in den Bunker zurück. Dort trifft man Fragile, die uns gleich auf die nächste große Mission schickt: Mexiko (oder zumindest Teile davon) mit dem Chiralen Netzwerk zu verbinden.

Wichtig: Es wird erklärt, dass das Chirale Netzwerk alles transportieren kann. Wirklich alles. Boten? Angeblich überflüssig.
Fun Fact: Nein. Ihr dürft auch später noch tonnenweise Zeug von A nach B schleppen – inklusive den üblichen Limitierungen bei Gewicht, Ausdauer und Ressourcen. Netzwerktechnologie auf Kojima-Art eben.

Jedenfalls: Wir ziehen ohne Lou los und bauen das Netzwerk aus. Unterwegs begegnen uns erneut die „Gestrandeten Dinge“ – also die GDs, wie wir sie aus dem ersten Teil kennen. Wer sich fragt, was das genau sein soll (obwohl man Teil 1 gespielt hat), ist nicht allein. Im Vorgänger konnten wir sie nur durch Lou sehen. Inzwischen hat sich Sams DOOMs-Faktor aber erhöht, also kann er die GDs nun auch ohne Baby-Tank orten. Fortschritt?

Nach dem ersten größeren Kampf landen wir bei einer Forschungsstation. Dort treffen wir unter anderem auf Deadman. Jetzt wird’s merkwürdig: Die Wissenschaftler sind offenbar denselben Weg gegangen wie wir – also warum müssen wir jetzt alles nochmal verbinden? Konnten die das nicht selbst? Wahrscheinlich nicht. Man brauchte wohl einfach einen Grund, Sam aus dem Bunker zu scheuchen – damit Fragile mit Lou allein sein kann.

Auf dem Rückweg treffen wir dann auf merkwürdige Gegner, die aus Teer aufsteigen und aussehen wie orange Roboter. Klingt spannend? Ist es nicht. Man kann einfach drumherum fahren. Verpasst man dann eine wichtige Cutscene? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Wer weiß das schon bei Kojima.

Kurz danach: der Bunker wird angegriffen. Drin: Fragile und Lou. Sams Reaktion? Keine. Wirklich: keine. Keine Panik, kein Schreien, keine Dringlichkeit. Das ist das „geniale“ Storytelling, von dem immer alle reden? Vielleicht bin ich zu blöd, um es zu verstehen – aber wenn ich an The Last of Us Part II denke, wo Ellie panisch auf Joels Schreie reagiert, frage ich mich schon: Warum ist Sam alles einfach egal?

Wir kommen also im verwüsteten Bunker an. Sam: „Vielleicht sind sie spazieren gegangen.“ Klar, Sam. Es sieht aus wie nach einem Bombenanschlag, aber hey – vielleicht ein netter Ausflug.
Draußen finden wir dann auch Fragiles Spuren, die uns zu ihr führen. Sie liegt verletzt am Boden. Lou ist verschwunden. In einer Rückblende sehen wir, wie sie gemeinsam geflohen sind – bei Tageslicht. Der Showdown der Szene findet allerdings bei Nacht statt und es brennt alles. Kontinuität? Nicht so wichtig.

Am Ende ist Lou tot. Oder doch nicht? Sie ist jedenfalls wieder im Tank – und Sam nimmt sie mit. Emotional reagiert er weiterhin kaum. Er hasst Fragile nicht. Verzweifelt wirkt er auch nicht – zumindest nicht sichtbar. In einer späteren Szene schießt er sich zwar in den Kopf – offenbar regelmäßig über Monate hinweg – aber sobald Fragile auftaucht, geht’s weiter. Nächster Halt: Australien. Und dort beginnt die eigentliche Story.

Ganz ehrlich: Für mich hat die Geschichte massive Logiklücken – und teils echt miserables Writing. Schon früh fühlte sich alles irgendwie falsch an. Ich bin kein Fan davon, ein totes Kind als reines Plotdevice zu benutzen. Klar, in The Last of Us passiert etwas Ähnliches – aber dort verändert es Joel komplett. Sam? Der läuft halt weiter. Klar soll er innerlich zerbrochen sein, und manchmal schimmert das auch durch – aber es ist nicht stark genug. Dasselbe gilt für viele Plotentscheidungen.

Beispiel: Uns wird erklärt, das Chirale Netzwerk mache Boten überflüssig. Und dann? Schleppen wir trotzdem ständig Zeug durch bereits vernetzte Gebiete. Oder: Sams DOOMs-Faktor ist gestiegen, er braucht Lou nicht mehr – bis er plötzlich in Australien Lou wieder braucht? Hä?

Eine Stelle hat mich besonders aufgeregt: Nach einem Bosskampf gegen ein riesiges GD bringe ich unterwegs noch verlorene Fracht zurück. Der NPC bedankt sich mit den Worten: „Wir würden dich niemals in Gefahr schicken, Sam.“
WTF?! Ich habe gerade ein Monster bekämpft, weil ihr euch alle in die Hose macht – aber ihr schickt mich ja nicht in Gefahr? Keine Ahnung, wer diesen Satz geschrieben hat, aber der hat mich komplett rausgerissen.

Getoppt wurde das nur noch von dieser Schlagzeile:

Hideo Kojima Made Significant Changes To Death Stranding 2 Because Playtesters Thought It Was ‚Too Good‘
IGN, 17. Juni 2025

Zitat aus dem Artikel:

„Dann sagte er: ‚Ich bin ganz ehrlich – wir haben das Spiel getestet und die Ergebnisse waren zu gut. Die Leute mochten es zu sehr. Das heißt, irgendwas stimmt nicht. Wir müssen was ändern.‘ Also änderte er Teile des Scripts und wichtige Szenen, weil er fand, sein Spiel löse nicht genug Emotionen aus.“

Ehrlich? Ich glaube, ursprünglich sollte wohl Fragile sterben – und Sam hätte ihre Mission weitergeführt. Das würde deutlich besser zu vielen Szenen passen als dieses seltsame Hin und Her mit Lou.

Trotz allem: Gegen Ende hat mir die Story wieder besser gefallen. Ich wollte wissen, wie es weitergeht, was mit den Charakteren passiert. Und man muss es sagen: Die Figuren sind gut geschrieben, die Dialoge besser als gedacht – und die Schauspieler? Allesamt top. Hochkarätig, glaubwürdig, intensiv. Schade, dass das Skript nicht immer mithalten kann.

Gameplay: Zwischen Paketbote und Bosskampf-Krampf

Nachdem wir die Story abgearbeitet haben, wird’s Zeit für das, worauf Death Stranding eigentlich immer hinausläuft: Pakete liefern. Das Gameplay von Death Stranding 2 ist im Kern identisch mit dem des Vorgängers. Ihr nehmt Aufträge an, stapft durch die Landschaft, liefert Fracht aus – und werdet hier und da von GDs, Banditen oder anderen Gegnern überrascht. Dafür könnt ihr euch mit Waffen, Granaten und Heilmitteln ausrüsten, wobei das altbekannte Gewichtssystem wieder mitspielt. Anfangs nervt es, später wird’s entspannter – dank neuer Gadgets, die euch beim Schleppen helfen.

Tiefgreifend ist das Gameplay nicht. Ihr nehmt einen Auftrag an, craftet die nötige Ausrüstung, ladet alles auf und lauft los. Manchmal geratet ihr in den Zeitregen – der lässt eure Fracht verrotten, wenn ihr sie nicht regelmäßig repariert. Auch die Art der Fracht bringt Abwechslung ins Spiel:
Zerbrechliche Fracht geht kaputt, wenn ihr stürzt.
Temperaturempfindliche Fracht muss entweder kalt gehalten oder warm ausgeliefert werden – teils mit Zeitlimit.
Das ist ganz nett, sorgt aber eher für Mikro-Management als für echtes Gameplay-Drama.

Und dann ist da der ewige Spaziergang. Wandern, klettern, balancieren – das ist der Loop. Klingt langweilig? Manchmal, ja. Aber es hat auch was Meditatives.
Zumindest bis die Kämpfe kommen.

Denn das Shooter-Gameplay ist nach wie vor eine Schwachstelle. Es fühlt sich schwammig an, Trefferfeedback ist kaum vorhanden und Bossfights werden schnell zu Steuerungskämpfen. Munition nachladen? Geht nicht. Wenn eine Waffe leer ist, müsst ihr ins Ausrüstungsrad und eine neue wählen – mitten im Gefecht. Bei Granaten noch schlimmer: Vier Slots à fünf Stück. Nach fünf Würfen heißt es: wieder ins Rad, nächste Sorte auswählen.
Das reißt euch komplett aus dem Flow.

Noch schlimmer: Ausweichen. Das geht nur mit L2 + X, was bedeutet: Waffe heben, dann ausweichen. Klingt unintuitiv? Ist es auch. Gerade in hitzigen Bossfights ist das einfach nur frustrierend – da kassiert ihr regelmäßig Treffer, weil Sam erstmal umständlich animiert die Waffe hochreißt.

Und trotzdem: Ich hatte Spaß. Klingt widersprüchlich, aber das Gameplay macht auf eine seltsame Art süchtig. Nicht, weil es besonders gut wäre – sondern weil es beruhigt.
Das Gefühl, die Welt nach und nach wieder miteinander zu verbinden, motiviert. Besonders cool: Die asynchrone Online-Komponente. Ihr baut Straßen, Brücken und Seilrutschen – und andere Spieler profitieren davon. So entsteht langsam eine Infrastruktur, die sich lebendig anfühlt. Es ist fast so, als würde die Welt gemeinsam heilen. Und das ist – trotz aller Macken – ziemlich stark.

Technik: Wenn selbst der Teer schöner glänzt als die Unreal-Konkurrenz

Kommen wir zum Offensichtlichen: Death Stranding 2 ist aktuell eines der schönsten Spiele auf dem Markt – ohne Diskussion. Möglich macht das die Decima-Engine von Guerilla Games, die bereits seit Killzone: Shadow Fall in verschiedenen Titeln werkelt und spätestens mit Horizon: Zero Dawn Maßstäbe gesetzt hat.

Und ja, ich hab da diesen einen persönlichen Tick – die Ufer sehen nicht nass aus. Schon in Horizon hat mich das irritiert, und auch in Death Stranding 2 wirkt das seltsam trocken. Aber gut, das ist Jammern auf höchstem Niveau und sicher nichts, was dem Spiel ernsthaft anzulasten ist.

Denn mal ehrlich: Während fast alle aktuellen Unreal Engine 5-Games sich mit Performanceproblemen rumschlagen, liefert Death Stranding 2 ab wie ein Uhrwerk.
Hallo Lords of the Fallen, Hellblade 2 oder Immortals of Aveum – ihr seht toll aus, aber leider nur im Fotomodus.
In Bewegung? Eher ein technisches Ruckel-Festival.

Death Stranding 2 dagegen? Läuft butterweich. Stabile Performance, großartige Grafik und keine sichtbaren Schwächen. Und ja – ich wiederhole mich gern: Es sieht einfach fantastisch aus.

Bugs? Hatte ich keine.
Abstürze? Null.
Ich konnte das Spiel komplett durchspielen, ohne dass mir das technische Grundgerüst je dazwischengefunkt hätte – und das ist 2025 leider keine Selbstverständlichkeit mehr.

Klar, der Soundtrack ist nicht meins. Nicht weil er schlecht wäre – rein technisch ist alles top –, aber das Genre holt mich nicht ab. Gut, dann läuft eben Spotify im Hintergrund. Passt auch.

Was mich allerdings wirklich nervt, ist die Steuerung: zu träge, zu aufgebläht. Überall Menüs, Auswahlräder, Hotkeys. In ruhigen Momenten geht’s, aber in stressigen Situationen? Fühlt sich das ganze System unnötig sperrig an. Gerade im Kampf wünscht man sich manchmal einfach nur eine verdammte Schnellwahl-Taste.

Aber abseits davon? Liefert Death Stranding 2 technisch eine Vorstellung ab, die zeigt, was möglich ist – wenn man nicht krampfhaft versucht, ein unfertiges UE5-Showcase abzuliefern.

Fazit: Viel Inhalt, wenig Genie

Death Stranding 2 ist ein grundsolides Spiel. Kein Meisterwerk. Kein Geniestreich. Aber eben auch keine Katastrophe – ich hatte meinen Spaß damit. Besonders nach dem etwas holprigen Story-Einstieg nimmt das Ganze langsam Fahrt auf – vorausgesetzt, man erwartet kein bombastisches Action-Feuerwerk.

Alles ist ein bisschen schräg, seltsam, verkopft – ganz Kojima eben. Und das ist auch okay so. Aber man muss das mögen. Wer sich auf dieses spezielle Tempo, das ständige Hinterfragen und die bewusst inszenierte Unlogik einlassen kann, wird ein ungewöhnliches Spiel erleben – das allerdings nicht jedem gefallen wird. Und genau das war wahrscheinlich auch das Ziel.

Lasst euch nur nicht von all den übertrieben euphorischen Reviews täuschen – Death Stranding 2 ist sicher kein Spiel für die breite Masse. Aber wenn ihr grundsätzlich Interesse habt und wissen wollt, was dran ist am „Kojima-Kult“, dann lohnt sich der Blick.

Ob man dafür 79,99 € hinblättern muss? Geschmackssache. Der Inhalt rechtfertigt den Preis in meinen Augen – es steckt viel Spiel, viele Ideen und auch viel Production Value drin. Wer lieber auf einen Sale wartet, macht aber auch nichts falsch.

Für diesen Testbericht wurde uns ein Muster zur Verfügung gestellt.

Story & Inszenierung
6.5
Gameplay & Steuerung
5.5
Atmosphäre & Weltgefühl
9
Technik & Präsentation
9.5
Motivation & Spielfluss
6
Das hat mir Gefallen
Originelles, mutiges Setting
Hochkarätige Besetzung mit starken Performances
Einige emotionale Szenen zünden, besonders im späteren Spielverlauf
Solider Kernloop (Pakete ausliefern, Welt aufbauen)
Langsames, entschleunigendes Spielgefühl kann entspannen
Interessante Ausrüstung & Traversal-Optionen
Großartige Landschaften & visuelle Erhabenheit
Dichte Stimmung durch Musik, Wetter & Isolation
Online-Verbindung mit anderer Spielenden bringt Tiefe
Brillante Grafik (Decima Engine liefert ab)
Stabile Performance, kein Ruckeln, keine Abstürze
Exzellente Animationen & Beleuchtung
Online-Komponenten motivieren zum Weiterspielen
Späte Story-Entwicklungen ziehen wieder stärker rein
Fortschritt wird visuell und spielerisch belohnt
Das war nicht so gut
Viele Logiklücken & inkonsistente Charakterreaktionen
Überstilisiert, aber emotional oft leer
Wirkt stellenweise prätentiös statt bedeutungsvoll
Träge, teils überfrachtete Steuerung
Shooter-Elemente unpräzise & frustrierend
UI-/Rad-Navigation umständlich im Kampf
Manche Gebiete bleiben optisch uninteressant
Musikstil Geschmackssache
Steuerung manchmal zu schwammig
UI gelegentlich unübersichtlich
Anfang sehr zäh, Pacing unausgeglichen
Wenig spielerische Abwechslung über längere Zeit
Wiederholung bleibt Kernproblem
7.3