Rise of Industry 2 (PC) im Test

Es gibt Spiele, die schmeißen dich direkt ins Chaos. Und dann gibt es solche, die lassen dich ganz gemächlich ankommen. Rise of Industry 2 gehört zur zweiten Sorte. Du landest in einer bunten, fast schon nostalgisch anmutenden Version der 1980er Jahre, irgendwo zwischen Synthwave und Wirtschaftsmagazin. Kleine Einspieler begrüßen dich: Nachrichtensprecher erzählen von deiner hoffentlich nahenden Zukunft, einem Wirtschaftswunder, als wärst du gerade zufällig ins Wohnzimmer der Vergangenheit gefallen.

Von der Kohlenwasserstoffanlage zum Medienimperium

Anfangs wirkt alles recht übersichtlich. Du baust eine Kohlenwasserstoffanlage, förderst Rohöl und bringst es zur Raffinerie. Was daraus wird? Na klar, ein Haufen Kassetten für die Musikfans der 80er. Es beginnt mit diesen simplen Produktionsketten: Rohstoff abbauen, transportieren, weiterverarbeiten, verkaufen. Klingt simpel, wird aber mit jeder Stunde komplexer.

Irgendwann bist du nicht mehr der kleine Tüftler, der ein bisschen Öl fördert. Du planst ganze Industriegebiete: eigene Stromversorgung, Fahrwege für LKWs und eigene Depots für jede Ware. Ein Fehler, und der Warentransport kommt ins Stocken. Die liebevoll inszenierte Welt lässt dich dabei aber nie alleine – ein Typ Brille und sicherlich einem Aktenkoffer erklärt dir zwischendurch im Tutorial, was du besser machen solltest. Charmant, oldschool, fast schon ein bisschen trashig – aber genau das macht den Stil des Spiels aus.

Straßenseiten, Depots und die Tücken der Logistik

Was im ersten Moment wie eine nette Spielerei wirkt, entpuppt sich als clevere Detailarbeit. Du musst genau darauf achten, auf welcher Straßenseite deine Fahrzeuge fahren. Es gibt eine Hinfahrt und eine Rückfahrt. Und glaub mir: Wenn du erst mal ein Dutzend LKWs, drei Zugstrecken und ein Luftschiff-Depot verwaltest, ist das mehr als ein nettes Gimmick.

Ein Beispiel: Du willst ein neues Industriegebiet anlegen, mitten in der Pampa, weil dort große Ressourcenvorkommen lagern. Also baust du eine Straße hin, eine Fabrik, ein Depot. Denkst du. Doch dann merkst du, dass das Spiel noch viel mehr vorgesehen hat, als eine einfache Route zu bauen. Das sind genau die Momente, in denen Rise of Industry 2 glänzt – wenn aus einem einfachen Plan plötzlich ein kleines Logistikpuzzle wird.

Industriegrößen und ihre Eigenheiten

Was wirklich Spaß macht: Du bist nicht auf eine Branche beschränkt. Neben der Medienproduktion kannst du ein Weingut betreiben, ein Luftfahrtunternehmen hochziehen oder Autos am Fließband zusammenschrauben. Im späteren Spielverlauf steht dir fast die gesamte Palette der 80er-Jahre-Wirtschaft offen. Fernseher, Videospielkonsolen, Kassettenrekorder, Wodka, Whiskey – du kannst produzieren, worauf du Lust hast.

Forschung, Investoren und Expansion

Das Technologiemanagement ist nicht nur schmückendes Beiwerk. Du baust eigene Forschungszentren, schaltest neue Gebäude, Transportmittel und Produktionsverfahren frei. Willst du dich auf Flugzeuge spezialisieren oder lieber eine Automobilproduktion hochziehen? Beides geht – wenn du rechtzeitig die passenden Technologien erforschst.

Parallel dazu umgarnst du Investoren, die dir gegen Zielvorgaben frisches Kapital verschaffen. Schaffst du es, bis Jahr X eine bestimmte Anzahl Kassetten zu verkaufen, gibt’s eine fette Finanzspritze. Diese Quests motivieren, dich immer wieder aus deiner Komfortzone zu bewegen und neue Industriezweige auszuprobieren. Schaffst du es nicht, hast du ein riesiges Problem mit deinen Investoren.

Sandbox und Kampagne

Die Kampagne bringt dich gut rein, bietet 15 Szenarien und ein ausführliches Tutorial. Leider zeigen die Szenarien nur einen Bruchteil des Gesamtumfangs. Die wirkliche Freiheit bekommst du erst im Sandbox-Modus – wobei auch der seine Grenzen hat. Es fehlt ein Random-Map-Generator und mehr Flexibilität bei der Kartengröße. Wer aber gerne optimiert und mit festen Rahmenbedingungen arbeitet, wird sich trotzdem stundenlang verlieren können.

Performance & Präsentation

Grafisch ist Rise of Industry 2 eher zweckmäßig. Auf den ersten Blick wirkt es etwas unspektakulär, fast nüchtern. Aber das ist Absicht – und eine gute Entscheidung. Wenn du irgendwann 50 Produktionsstätten, 30 LKW-Routen und mehrere Bahnlinien koordinierst, bist du froh, dass dir keine hyperrealistischen Gebäude die Sicht verstellen.

Beim Heranzoomen entdeckt man dann doch einige charmante Details: Parkplätze, Arbeiter, liebevoll gestaltete Gebäude, uvm.

Fazit

Rise of Industry 2 ist ein Liebesbrief an die großen Wirtschaftssimulationen vergangener Jahrzehnte, verpackt in den Neon-Charme der 80er. Es ist ein Spiel für geduldige Planer, die Spaß daran haben, komplexe Logistiknetze zu entwerfen und Produktionsketten zu perfektionieren.

Es dauert ein paar Stunden, bis der Funke überspringt – doch wer dranbleibt, wird mit einem überraschend tiefgründigen Wirtschaftsspiel belohnt. Nicht alles ist perfekt: Das Interface ist stellenweise fummelig, weil verschachtelt, die Sandbox etwas zu brav und grafische Glanzlichter darf man nicht erwarten. Aber wer genau das sucht, findet hier ein clever designtes Aufbau-Spiel, das dich Stück für Stück in seinen Bann zieht.

Für diesen Testbericht wurde uns ein Muster zur Verfügung gestellt.

Rise of Industry 2 (PC) im Test
Atmosphäre & Setting
8
Komplexität & Spieltiefe
9.5
Bedienung & Interface
7.5
Langzeitmotivation
8
Technische Umsetzung & Performance
7
Das hat mir Gefallen
Charmantes 80er-Jahre-Setting mit sympathischen Videosequenzen
Überzeugendes Ressourcen- und Logistikmanagement mit Liebe zum Detail
Große Vielfalt an Industriezweigen: Von Spielzeug bis Wodka, von Kassetten bis Flugzeugen
Motivierende Investoren-Quests und dynamische Wirtschaftsbeziehungen
Sinnvolle technologische Weiterentwicklung über ein ausgebautes Forschungssystem
Übersichtliche, performante Grafik bei wachsender Kartengröße und Produktionskomplexität
Überraschend tiefgründiges Makromanagement mit anspruchsvoller Planung
Das war nicht so gut
Sandbox-Modus etwas ambitionslos und ohne Random-Map-Generator
Einstieg wirkt anfangs zu flach, dauert etwas, bis das Spiel sein Potenzial entfaltet
Grafisch eher nüchtern und funktional, wenig Atmosphäre beim Zoomen
Interface teilweise umständlich und verschachtelt
Begrenzte Langzeitmotivation, wenn man alle Industriezweige einmal gesehen hat
8