The Alters (PC) im Test

Du wachst auf. Im fremden Licht eines fremden Planeten. Der Sturm klingelt dir bereits in den Ohren, als würde die Welt selbst wütend gegen deine bloße Existenz anbrüllen. Kein Funkkontakt, keine anderen Stimmen. Nur du. In abgelatschten Sneakern und der Erinnerung daran, dass du eigentlich nie für sowas gemacht warst. Kein Held, kein Entdecker. Eher der Typ, der beim Betriebsausflug im Bus kotzt.

Willkommen in The Alters.

Hier schlüpfst du in die Rolle von Jan Dolski, einem Mann, der in einer Situation gelandet ist, für die es im Handbuch der Menschheit kein Kapitel gibt. Nach einem Absturz, der seine gesamte Crew ausgelöscht hat, soll Jan die Mission zu Ende bringen, für die andere trainiert, geopfert und gelebt haben. Rapidium soll er bergen, ein geheimnisvolles Material, das Krankheiten heilen und Wunder wirken kann. Der Haken: Jan ist weder Kapitän noch Techniker, noch Arzt. Er ist einfach nur… Jan. Und genau darin liegt der Reiz dieses Spiels.

Was machst du, wenn du nicht die Fähigkeiten hast, um zu überleben, geschweige denn eine Rettungsmission zu leiten? Du klonst dich. Nicht aus Größenwahn, sondern aus purer Verzweiflung.

In einer bizarr-nüchtern „Gebärmutter“ genannten Maschine mixt du ein bisschen Rapidium mit deiner DNA und erschaffst Klone von dir selbst — Versionen, die an entscheidenden Punkten deines Lebens andere Entscheidungen getroffen haben. Ein Jan, der damals nicht das Studium geschmissen hat, sondern Arzt wurde. Ein Jan, der sich für den Maschinenbau begeistern konnte. Ein Jan, der den Weg des Arbeiters gegangen ist und weiß, wie man mit einer Werkstatt umgeht. Oder sogar ein Jan, der ein echter Forschergeist ist und dir unterstützend zur Seite stehen kann, wenn es darum geht, Neues zu erfinden.

Plötzlich stehst du nicht mehr alleine da, sondern siehst dich selbst in anderen Versionen. Und genau da wird’s richtig spannend, denn die Klone sind keine willenlosen Roboter. Sie sind du. Mit Hoffnungen, mit Ängsten, mit Fragen nach dem Sinn ihrer Existenz. Du merkst schnell, dass sie nicht nur für dich schuften wollen. Sie haben eigene Gedanken, streiten sich, zweifeln und manchmal, wenn die Nacht besonders lang und der Magnetsturm besonders laut ist, stellen sie sich die Frage, warum sie überhaupt leben — oder ob das hier überhaupt Leben ist.

The Alters ist kein klassisches Management-Spiel, bei dem du Namenlose durch eine Übersichtskarte scheuchst. Hier bewegst du dich in Third Person durch deine Basis, die wie ein gigantisches, rostendes Hamsterrad in der Landschaft steht. Das Rad dreht sich ein Stück weiter, schiebt sich in eine andere Zone voller Gefahren und Ressourcen, nur um der unmittelbaren Gefahr der Sonne zu entrinnen – und die damit verbundene Strahlung – und die Magnetstürme.

Du rennst durch enge Metallgänge in deinem Hamsterrad, baust eine Krankenstation, errichtest Werkstätten, gehts nach draußen, baust Reisepylone und Ressourcenabbaustätten. Jeder Schritt fühlt sich wichtig an. Jeder neue Raum bringt dir ein Stück Kontrolle zurück in eine Welt, die nichts anderes will, als dich zu verschlingen. Während du draußen mit dem Kletterhaken Abhänge bezwingst, Sprengladungen platzierst und nach wertvollen Materialien suchst, sorgen deine anderen Jans dafür, dass die Lichter anbleiben. Sie bereiten Nahrung zu, reparieren die Räumlichkeiten, toben sich im Gewächshaus aus, all dies und vieles mehr.

Doch sie sich auch nur Menschen und du wirst nicht umhinkommen, auch mal Bier Pong mit ihnen zu spielen oder einen Film zu schauen. Dabei gibt es extra entwickelte Filmchen und Bier Pong kann ganz schön schwierig sein, wenn man es gegen sich selbst spielt.

Und es sieht einfach gut aus. Die Grafik ist nicht nur schick, sie ist beeindruckend. Das gebündelte Licht auf dem Planeten, die vielen Ressourcen und ihre Partikel … herrlich. Wenn der Magnetsturm sich für einen Moment legt und du einen Blick über die schroffen Felsen werfen kannst, sieht es so gut aus, dass du kurz vergisst, dass du eigentlich Ressourcen sammeln wolltest. Die Partikeleffekte, die schwankenden alienartigen Lichter — das alles wirkt so stimmig, dass du direkt mittendrin bist.

Ich hab das Ganze auf einem Ryzen 7 5800X3D mit einer 3070Ti und einem Ultrawide-Monitor in 1440p gespielt, und es lief wie ein Traum. Keine Ruckler, keine Aussetzer, selbst wenn der Bildschirm vor Effekten nur so glühte. Und das ist gut so, denn das Spiel lebt von dieser ständigen Bedrohung, dieser intensiven Stimmung. Dabei ist es kein typisches „Du wirst von Aliens gejagt“-Feeling, vielmehr geht es darum, deine Existenz zu sichern, in dem du rechtzeitig Ressourcen beschaffst und diese richtig einsetzt.

Und dann ist da noch die Geschichte. Dieses Spiel hat eine Narrative, die dich nicht loslässt. Du willst wissen, was mit der Außenwelt passiert ist, wer da manchmal über Funk Kontakt zu dir aufnimmt, ob es wirklich Hoffnung gibt oder ob das hier alles eine aussichtslose Farce ist. Und du willst wissen, was aus Jan wird. Nicht nur aus dir, sondern aus all deinen anderen Versionen. Ob der Arzt-Jan vielleicht besser wäre als du. Ob der Techniker-Jan eigentlich derjenige ist, der das hier alles retten könnte. Sogar ob Botaniker-Jan nicht besser für deine Ex-Frau wäre. Und ob du selbst am Ende derjenige bist, der überhaupt gerettet werden will.

Natürlich gibt’s auch kleine Macken. Das Speichern ist nur an bestimmten Punkten möglich, und wenn du denkst „Ich mach noch schnell das Gebiet da hinten fertig und speicher dann“ — vergiss es, der Sturm und deine Neugier holen dich immer wieder ein, bzw. kannst du nur dann speichern, wenn du gerade den Tag gestartet hast, da das Spiel dann für dich speichert. Kein manuelles Speichern und kaum Autospeicher-Funktionen. Und bei der Ressourcenproduktion die gewünschte Stückzahl per Maus einzustellen, fühlt sich an, als würdest du einen Safe mit einem Schraubenzieher knacken wollen. Aber das sind Kleinigkeiten, die im Gesamtpaket kaum ins Gewicht fallen.

Am Ende ist The Alters ein Spiel über Entscheidungen. Über das, was du hättest sein können. Über das, was aus dir wird, wenn dir plötzlich nichts und niemand mehr vorgibt, wer du zu sein hast. Es ist ein Spiel, das dich nachts um drei am Monitor sitzen lässt, weil du noch einen letzten Ausflug wagen musst. Weil irgendwo da draußen noch ein bisschen Rapidium auf dich wartet. Und vielleicht… noch eine andere Version von dir, die du nur mithilfe der Ressource erstellen kannst. Hast du wirklich schon alle Verzweigungen von Jans Lebensweg gesehen?

Für diesen Testbericht wurde uns ein Muster vorab zur Verfügung gestellt.

The Alters (PC) im Test
Spieltiefe und Komplexität
8.5
Benutzerführung und UI
9
Content und Vielfalt
9
Langzeitmotivation
9
Technik und Stabilität
10
Narrative
10
Das hat mir Gefallen
Ungewöhnliche Grundidee: Klone deiner eigenen Figur mit unterschiedlichen Lebensentscheidungen.
Starke narrative Einbindung: Persönliche, existenzielle Themen rund um Identität, Sinnsuche und Selbstzweifel.
Vielschichtige Charaktere: Die Klone haben eigene Wünsche, Ängste und Konflikte, kein seelenloses Management.
Beeindruckende Grafik: Großartige Lichteffekte, atmosphärische Landschaften, tolle Partikeleffekte.
Starke Stimmung: Bedrohliche, klaustrophobische Atmosphäre ohne klassische Gegnerhorden.
Motivierendes Micro- und Macromanagement: Sinnvolle Aufgabenverteilung und Ausbau der eigenen Basis.
Abwechslungsreiche Aktivitäten: Von Basisbau über Ressourcenabbau bis zu Freizeitgestaltung mit den Klonen.
Sehr gute technische Performance: Flüssiges Spielerlebnis selbst bei hoher Effektlast.
Interessante Erzählstruktur: Rätsel um die Außenwelt und das Schicksal von Jan und seinen Alternativen.
Cleveres Gameplay-Feature: Zeitdruck durch Sonne/Magnetstürme und bewegliche Basis als Survival-Element.
Liebe zum Detail: Extra entwickelte Filmchen, Freizeit-Aktivitäten, atmosphärisches Sounddesign.
Langzeitmotivation: Das Entdecken neuer Klon-Versionen und alternativer Lebenswege von Jan.
Das war nicht so gut
Eingeschränktes Speichersystem: Nur zu bestimmten Zeitpunkten speicherbar, keine flexible Speicheroption.
Fummelige Ressourcenproduktion: Stückzahlen-Eingabe über Maus wirkt umständlich und ungenau.
9.3