Realpolitiks 3: Earth and Beyond(PC) im Test

Ich weiß irgendwie nicht so ganz, wo ich anfangen soll, deswegen fange ich jetzt erst einmal mit der Trivia an. Realpolitiks 3 wurde von Jujubee entwickelt und Fulqrum agiert als Publisher. Dabei ist Jujubee vor allem auf realistische und tiefgründige Mechaniken spezialisiert, wie zum Beispiel die Globalstrategie-Reihe Realpolitiks. Die Entwickler:innen setzen sich vor allem aus ehemaligen Mitarbeiter:innen von CD Project RED, Travellers‘ Tale und Infinite Dreams zusammen, also eigentlich Veteran:innen in der Spieleentwicklung und dabei stellt sich mir eine wichtige Frage zu Realpolitiks 3: Earth and Beyond: Warum zum Henker hat das Spiel kein vernünftiges Tutorial?

Versteht mich bitte nicht falsch, ich habe eine Menge Spaß mit dem Spiel, aber das Onboarding ist dermaßen schlecht, dass ich mich zeitweise wirklich gefragt habe, wie ich überhaupt eine Review zu dem Titel verfassen soll. Ich bin kein Genreprofi, aber ich finde das Genre immer wieder interessant und versuche mich daran. Ich finde zum Beispiel Crusader Kings III super, aber diese Spiele sind auch verdammte Zeitfresser, deswegen ist es oft schwer, diese Art von Game immer mal wieder unterzukriegen, aber wenn man irgendwie noch nicht mal weiß, wo man anfangen soll, wird es schon mal schwierig. Gucken wir uns aber mal den Spielablauf an.

Ihr startet ein neues Spiel und sucht euch erst einmal eine Nation aus und damit meine ich eine real existierende. Ich habe mich in meinem ersten Versuch erst mal für ein starkes Land entschieden, obwohl ich stark am Schwanken war zwischen USA und Nordkorea. Ja, fragt mich nicht, irgendwie fand ich den Gedanken interessant, Nordkorea in ein grünes Wirtschaftswunder zu verwandeln, nur um dann die Welt zu unterjochen. Allerdings habe ich mich als Genreneuling dann doch für die viel stärkeren Vereinigten Staaten entschieden und ich habe auch direkt einen Plan gefasst. Ich will den amerikanischen Kontinent einen, also Süd- und Nordamerika erobern. Also habe ich gedacht, dass ich direkt erst einmal in Mexiko einmarschiere. Oder auch nicht, denn ich war nicht in der Lage, Mexiko den Krieg zu erklären. Warum, fragt ihr euch? Na ja, als demokratisches Land benötigt ihr die zu Stimmung des Parlaments und ihr müsst unter einer bestimmten Sympathieschwelle stehen und um das zu erreichen, müsst ihr euch erst einmal mit dem Land um etwas streiten. Das könnt ihr über Embargos machen oder ihr sagt ihnen direkt, dass ihr sie nicht mögt, allerdings muss dafür das Parlament mitmachen. Nachdem ich knapp 20 Minuten gebraucht habe, um zu verstehen, wie Demokratie funktioniert, ja das ist irgendwie schon ein Armutszeugnis, habe ich einen neuen Plan gefasst: Neben der aggressiven Expansion werde ich die USA in eine Links-Grüne-Öko-Diktatur führen. Nicht falsch verstehen, ich mache das nur, um den Planeten vor dem Klimawandel zu retten. Also habe ich angefangen, grüne Energie, Industrie und Infrastruktur zu erforschen und nebenbei habe ich die USA noch in einen sozialeren Staat verwandelt. Ihr denkt euch jetzt, dass sich das ganz nett anhört, aber nebenbei habe ich mir eine kleine Armee aufgebaut. Das erklärt einem das Spiel auch am Anfang ein wenig. Als ich dann einige Truppen hatte, habe ich nach einem geeigneten Land gesucht, das Teil meiner Vereinigten Staaten werden wollte und ich habe auch relativ zügig jemanden in meiner direkten Nachbarschaft gefunden, der mich so wenig mag, dass ich mit nur einem kleinen Handelsembargo einen Krieg anzetteln konnte – und die UN hatte auch nichts dagegen. Also habe ich Kuba den Krieg erklärt und ihnen meine Grün-Soziale-(noch)-Freiheit gebracht.

Nebenbei habe ich außerdem herausgefunden, wie man Gebäude baut, nur ist das nicht so einfach, denn ihr braucht eine Mehrheit für eure Vorhaben im Parlament und ja, auch ich habe geglaubt, dass man als Präsident der Vereinigten Staaten einfach alles ganz einfach regeln kann. Ist aber zumindest im Spiel nicht so. Aber zum Glück standen die Wahlen an und so habe ich den Sozialdemokraten, die komischerweise auf meiner Seite waren, zu einer größeren Mehrheit verholfen. Nebenbei habe ich noch die Parteien der Kommunisten und Faschisten verboten, allerdings habe ich gesehen, dass es eine Partei der Monarchisten gibt. Tja, was soll ich sagen, anstatt Präsident der Vereinigten Staaten zu sein, hört sich doch König oder Imperator gleich viel besser an, oder? Problem ist aber, dass diese Partei noch nicht genug Stimmen hat, um ins Parlament einzuziehen, also spielen wir auf Zeit und kümmern uns darum, dass wir diese Partei stärken.

In der Zwischenzeit haben sich außerdem Haiti, die Dominikanische Republik und Jamaika den Vereinigten Staaten „freiwillig“ angeschlossen. Allerdings habe ich danach erst einmal aufgehört, da ich nicht genau wusste, wie ich mein stehendes Heer vergrößere, oh, ich meine natürlich meine Armee zur Verteidigung meiner Grenzen. Ach so, die UN hat sich immer noch nicht eingeschaltet.

Ich habe meine Kriegsbemühung aber nicht nur eingestellt, weil ich nicht genügend Soldaten hatte, sondern ich habe auch etwas anderes entdeckt, denn ich habe herausgefunden, warum Realpolitiks 3: Earth and Beyond genannt wird und was soll ich sagen? Wir können unser Sonnensystem besiedeln und was vielleicht viel bedeutender für mein Vorhaben, den Planeten zu retten, ist, es gibt Orbital-Waffen und wenn das nicht mal ein Grund ist, die Welt unter sich zu vereinen, um dann anzufangen, als Menschheit den Weltraum zu besiedeln. Also habe ich das einzig Richtige gemacht und sehr viel mehr Zeit und Ressourcen in mein Raumfahrprogramm gesteckt. Zwischenzeitlich hat China noch versucht, einen Handelskrieg anzuzetteln, allerdings war ich zu diesem Zeitpunkt schon recht unabhängig. Aber ich konnte einige terroristische Gruppierungen in Belarus (Weißrussland) unterstützen, damit das Land etwas instabiler wird. Auch hier hat die UN nicht wirklich eingegriffen. Allerdings habe ich mich eine Sache noch nicht getraut: Denn auch wenn mir Kanada militärisch unterlegen ist, gibt es da immer noch die NATO und ich wollte nicht riskieren, dass diese in einen offenen Konflikt eingreift, also habe ich diesen Plan erst mal aufgegeben und mich nach Süden gewendet, denn hier gibt es viele kleine Staaten und kaum NATO-Mitglieder.

Ich unterbreche hier aber meine Erzählung erst einmal, um vielleicht erst einmal auf das generelle Gameplay einzugehen, denn genretypisch habt ihr eine Weltkarte oder in diesem Fall eine Weltkarte und Karten von den Planeten, auf denen ihr Kolonien errichten könnt. Genauso seht ihr nur die Kommandanten eurer Armeen auf dem Spielfeld, aber keine größeren Truppenverbände. Das ist halt nicht Total War oder Age of Empire. Ihr müsst auch in ganz anderen Zeiträumen denken. So ein Forschungslabor braucht auch ein paar Jahre, bis es gebaut ist. Euch muss halt klar sein, dass Realpolitiks 3 ein klassisches Global-Strategie-Spiel ist, in dem viel von dem, was auf dem Bildschirm passiert, in Zahlen ausgedrückt wird. Ihr wurschtelt euch also durch nicht immer so eindeutige Menüs und müsst euch viel selber erschließen und genau da ist das Problem und die grundlegende Frage: Warum muss man es Genreneulingen so ultimativ schwer machen, überhaupt erst mal das Spiel zu lernen? Es gibt kein Tutorial und in der Early-Access-Fassung gab es auch keine deutschen Texte, was ein komplexes Spiel wirklich noch sehr viel schwieriger zu verstehen macht.

Ich möchte aber nicht auf einer schlechten Note enden, denn ich hatte tatsächlich irgendwie mehr Spaß an Realpolitiks 3 als an Crusader Kings III. Das liegt vor allem an dem Szenario. Wer würde nicht gerne mal sehen, wie sich die eigenen guten oder vielleicht auch nicht so guten Ideen auf die Welt auswirken? Ein Aristokratisch-Sozialistisches-Grünes-Vereintes-Amerika? Klar, warum nicht? Oder warum nicht Nordkorea zum Anführer Asiens machen, um dann ein Wirtschaftswunder werden? Das sind alles Fantasien, die ihr ausleben könnt – in einem realistischen Setting. Allerdings habt ihr auch reale Probleme, wie die UN oder die NATO.

An wen richtet sich nun Realpolitiks 3? Ich glaube vor allem an Spieler:innen der vorherigen Teile und das ist meiner Meinung nach extrem schade, denn das Szenario ist spannend und mit den Dynamiken, die entstehen können, wie Rivalen, NGOs usw., gibt es hier wirklich viel zu entdecken.

Trotzdem ist es sehr problematisch, neue Spieler:innen irgendwie abzublocken und da frage ich mich halt, warum? Warum kein Tutorial? Warum nicht Neulingen helfen? Zusätzlich ist die Menüführung teilweise unübersichtlich. Beim automatischen Speichern habe ich gedacht, dass das Spiel gecrasht ist und die Ladezeiten sind extrem lang. Das alles kann aber noch an dem Early Access liegen, den ich gespielt habe und ein großer Patch zum Release könnte das beheben.

Wenn euch das alles aber nicht abschreckt und ihr einfach mal in einem Global-Strategie-Spiel mit modernem Setting Spaß haben wollt, kann ich euch Realpolitiks 3 wirklich empfehlen, auch wenn das Spiel teilweise etwas unpolished ist!

Für diesen Testbericht wurde uns ein Muster zur Verfügung gestellt.

Realpolitiks 3: Earth and Beyond(PC) im Test
Atmosphäre & Szenario
8
Zugänglichkeit
4
Gameplay
7.5
Technik
6.5
Das hat mir Gefallen
Tiefgehende, realistische Strategie-Mechaniken
Spannendes modernes Szenario mit globalpolitischer Tiefe
Hohe Freiheit bei der Gestaltung der Nation und Strategie
Kombination aus klassischer Globalstrategie + Sci-Fi-Raumfahrtelementen
Politische, diplomatische und militärische Spielstile möglich
Ideales „Was wäre wenn?“-Spiel für Fans geopolitischer Szenarien
Das war nicht so gut
Kein Tutorial – massives Problem für Einsteiger
Unübersichtliches UI und mangelnde Benutzerführung
Längere Ladezeiten, Speicherprobleme und technische Hiccups
Early Access-Charakter spürbar (auch in der Lokalisierung)
Viele Features nicht selbsterklärend (z. B. Parlament, Kriegsgründe)
Eher für Fans der Vorgänger und Genrekenner gemacht
6.5