In Blue Prince wirst du in das Jahr 1993 zurückversetzt. Du schlüpfst in die Rolle von Simon Jones, dessen Onkel Herbert Sinclair verstorben ist. Trotz traurigen Hintergrund kann sich Simon auf ein großes Erbe freuen: Ein Haus, Geld und vieles mehr. Doch bevor er das Erbe antreten kann, hat sich Sinclair noch etwas ausgedacht. Es obliegt nun an dir als Spielenden, Raum 46 in der Mount Holly Estate zu finden. Schaffst du das, bekommt Simon alles.
Doch was sollte so schwierig daran sein, einen Raum in einer Villa zu finden?
Und da kommen wir auch schon zum ultimativen Clou und gleichzeitig auch der einen Gameplay-Mechanik, welche das Spiel prägt und trägt:
Bau dir deine Villa
Die Villa gibt es zwar schon, doch musst du jeweils aus drei Räumen einen heraussuchen, um dann weitergehen zu können. Dein Ziel ist natürlich Raum 46 zu finden, das Skizzenbrett gut zu füllen, alle Rätsel zu lösen und somit voranzukommen. Ein einfaches Ziel, wenn da nicht die Rogue-Like-Elemente und die Rätsel wären.
Du startest also im Flur und überlegst dir, welchen Raum du als Nächstes haben möchtest. Beachte, dass du, sobald du eine Tür geöffnet hast, auch gleich einen Raum aussuchen musst. Das hat etwas von der Brettspiellogik, dass Gelegtes nicht wieder auf die Hand genommen werden darf. Generell erinnert es etwas an die guten alten Verrücktes Labyrinth-Zeiten, wobei es vollkommen anders ist. Aber das Gefühl ist da.

Du suchst dir also das nächste Bindeglied aus. Zu Beginn kennst du die Räume nicht und Begrifflichkeiten wie Küche, Flur usw. sind zwar bekannt, doch im Rahmen des Spiels siehst du erst einmal keinen Unterschied. Du wählst also aus, was dich ansprichst. Vielleicht ist dein Ziel erst einmal bis ganz in den Norden der Karte zu kommen. Vielleicht hast du aber auch schon entdeckt, dass es hier um Ressourcen geht und suchst dir extra Räumlichkeiten mit Gems oder Schlüsseln aus. Denn Schlüssel sind ja immer praktisch, oder?
Vielleicht findest du direkt zu Beginn auch schon einen Schlüssel für ein Auto. Doch bevor du jetzt glaubst, dass du einfach wegfahren könntest, fallen dir die Regeln für dieses Puzzle-Game wieder ein:
- Du darfst keine Werkzeuge oder Gegenstände von außerhalb mit ins Haus nehmen
- Du darfst keine Gegenstände oder Werkzeuge, die du im Haus gefunden hast, mit nach draußen nehmen
- Du darfst nicht in der Villa übernachten.

Simpel und absolut nichtssagend – zumindest bis die erste Nacht anbricht. Draußen findest du ein Lager, in dem du schlafen kannst, allerdings möchtest du ja erst einmal so viel wie möglich erkunden. Du hältst nur leider nicht immer bis zum Ende durch, immerhin sind deine Schritte begrenzt. Gut, hier gibt es diverse Räume, die deine Schritte wieder „aufladen“, sodass du weitermachen kannst. Doch selbst dann, wenn du das Glück hast, immer die richtigen Räume zu erwischen, kommt es auch mal vor, dass du Gegenstände benötigst.
Sagen wir mal, du möchtest ein Büro betreten, um zum Beispiel permanente Upgrades freizuschalten. Immerhin endet laut den Regeln alles zur Nacht hin und dir werden sämtliche Gegenstände weggenommen und du musst alle Räume neu planen. Doch sagen wir mal, du möchtest unbedingt dieses eine Büro haben.

Dann benötigst du Gems. Vielleicht hast du Glück und du hast bereits welche dabei, vielleicht hast du aber auch gerade keine dabei. Deine nächste Chance könnte noch ein paar Runs dauern.
Nehmen wir aber mal an, Ressourcen sind für dich kein Problem. Du gehst also hin und investierst in das Büro. Hast du dann auch schon bedacht, dass du einen weiteren Ausgang benötigst, um weiter nach Norden kommen zu können? Stößt du nach dem Büro vielleicht auf einen Raum, in dem ein Rätsel vorkommt? Manche Rätsel sind gut in einem Run lösbar, wenn du beispielsweise einen Code für das Terminal benötigst und du glücklicherweise genau diesen bereits gefunden hast. Andere Rätsel bauen aufeinander auf, sodass du nicht einfach nur einen Raum erkunden und lösen kannst. Dann kannst du Glück haben und findest des Rätsels Lösung im nächsten Raum, vielleicht hast du auch ausreichend Schritte, um wieder zurückzukommen. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht hast du einfach Pech und du bekommst in diesem Run nicht das, was du brauchst. Vielleicht fällt dir auch Nachts die Lösung ein, doch du hast deinen Run bereits beendet und alle Räumlichkeiten sind weg. Dann bleibt dir nur noch alles mitzuschreiben und zu hoffen, dass du den Raum bald wieder siehst.
Und genau das macht den Grind in diesem Spiel aus: Es ist nicht vorhersehbar, du musst sehr viel planen und es kann sein, dass trotz Planung alles in die Hose geht.
Dann brauchst du noch eine Übernachtung im Freien, nochmal verlierst du alles und nochmals denkst du darüber nach, wie du durch permanente Upgrades, bessere Skizzen und Co. ans Ziel kommst: Raum 46.

Doch keine Sorge, trotz vieler Variationen an Rätseln, beispielsweise einfache Logikrätsel oder auch Passworträtsel, wirst du nicht einfach nur in eine lieblose Villa geworfen.
Die Villa hat Lore, Substanz und eine recht gute Detektivgeschichte, die zwar nicht im Vordergrund steht, doch für ausreichend Hinweise sorgt, dass du motiviert bleibst und vielleicht doch noch einen Run an diesem Abend versuchst. Es kann ja auch ein kurzer Run sein.
Immerhin hat dein Onkel alle anderen enterbt und dann fällt dir auch noch auf, dass eine Kinderbuchautorin verschwunden ist. Was hat das denn nun mit der Villa zu tun? Das und vieles, vieles mehr klärst du in deinen Runs.

Du solltest dir allerdings Notizen und Screenshots machen, denn es könnte gut sein, dass du den Überblick bei den Rätseln über mehrere Runs verlierst.
Und keine Sorge, die Räume werden mit der Zeit schwieriger und auch die Absicherung, um weiterzukommen, wird Ressourcen fordernder, sodass du auch wirklich das Gefühl haben wirst, besser zu werden bzw. besser werden zu müssen. Wenn du dich nämlich nicht anpasst, nicht besser mit deinen Ressourcen umgehst oder nicht gut planst, kann es ziemlich lange dauern, bis das Glück dir hold ist.

Falls du dich fragst, wie lange du an diesem Spiel kleben wirst, dann stellst du eine weitere nicht direkt beantwortbare Frage. Manche schaffen es in etwas mehr als 20 Spielstunden, da sie vielleicht sehr viel Erfahrung mit Rätselspielen haben, die Planung sehr gut war und dabei auch noch Glück bei den Räumlichkeiten hatten. Andere sind nach gut 50 Spielstunden so weit, dass sie Raum 46 gefunden haben. Und vielleicht reicht es dir ja nicht, einfach nur den Raum zu finden. Vielleicht willst du alle Rätsel lösen und alles von der Story erfahren, die dir das Spiel bietet?
Blue Prince ist kein einfaches Puzzle-Spiel. Es ist nicht linear und es verleitet dich auch nicht, mal eben im Internet nach der Lösung zu suchen. In Blue Prince steht die Erkundung und das Scheitern in Form eines neuen Runs im Vordergrund. Du bahnst dir deinen Weg durch Rätsel und Story – und das dauert so lange und macht so viel Spaß, wie es dir eben passt. Ob du nun heute drei Runs schaffst, drei Wochen Pause machst und dann auf ein Neues die Villa betrittst, macht bei guten Notizen keinen Unterschied. Immerhin hat Tonda Ros, der das Studio Dogubomb gegründet hat, gut acht Jahre benötigt, um das Spiel zu entwickeln. Da ist es nicht verwunderlich, dass es so viel mehr zu bieten hat, als einfach nur Raum 46 zu finden. Schau dir alles an, gehe Hinweisen nach, die dich interessieren und wenn mal etwas nicht klappt, kannst du immer noch auf einen neuen Run mit neuen Hinweisen warten. Nimm dir die Zeit, denn das Spiel wird es dir in Form von Inhalten zurückzahlen.
Es ist aber dennoch auf jeden Fall ein schönes Feierabendspiel, denn durch die seichten Pastellfarben, durch den ruhigen Soundtrack und das gemütliche Planen und Rätseln, wirst du sicherlich auch nach einem langen Tag zur Ruhe kommen können. Außerdem ist es hochgradig performant, sodass es trotz schicker Grafik sehr gut läuft.
Für diesen Testbericht wurde uns ein Muster zur Verfügung gestellt.