Dass eine Handelssimulation eine andere jagt, kann man nun wirklich nicht behaupten. Liebhaber*innen von Victoria 2 oder auch Patrizier 4 haben lange auf einen Nachfolger gewartet, der nun in Form von Victoria 3 erschienen ist.
Die Zeit der Industrialisierung war eine interessante Zeit – vor allem aus wirtschaftlicher Sicht. Kein Wunder also, dass man sich in Victoria 3 genau diesen Zeitraum herausgepickt hat. Das Ganze wird auch schön mit Musik unterlegt, sodass man zumindest gefühlstechnisch schnell in der Zeit angekommen ist.
Ich würde Victoria 3 als einen typischen Paradox-Titel bezeichnen, da man wieder die Ansicht von oben hat, d.h. man hat eine Weltkarte und kann recht weit hereinzoomen. Schmuckstück ist hier also sicherlich keine Detailkarte, sondern vielmehr, was man mit ein wenig Fantasie und eigens formulierter Zielführung erreichen möchte.
Es gibt nämlich keinen Sieg, auf den man so wirklich hinarbeitet. Man kann sich zwar ein solches Ziel setzen, indem man im Menü beispielsweise Hegemonie-Sieg als Siegbedingung angibt, letzten Endes kann man aber auch ein freies Spiel starten und sich etwas durchprobieren.
Und für Neueinsteiger*innen werden die ersten Spielstunden hart. Es ist viel Lesen und Nachlesen gefragt. Begriffe, wie etwa der Durchsatz, müssen schnell ins Blut übergehen und generell lernt man das Spiel von der Pike auf. Wenn man den Lernprozess hinter sich gebracht hat und ja, hier kann man durchaus ausgelernt haben, seine Strategie und Taktik durchwinken und recht gut vorankommen, beginnt der eigentliche Spielspaß. Hat man Ausbau, Handelsrouten und den generellen Flow an Geld gemeistert, kann man sich anderen Zielen hingeben. Dann kann man sich überlegen, inwieweit man andere Länder übernehmen möchte, ob Krieg eine Option ist, auch wenn Krieg irgendwie so chaotisch ist, dass ich mir nicht sicher bin, ob man das wirklich meistern kann.
Und so daddelt man stundenlang vor sich hin, setzt sich eigene Ziele, erzählt sich vielleicht eigene Storys, ärgert sich über die schwache Kriegsführung und wünscht sich vielleicht die tollen Charakterquests aus Crusader Kings III zurück, natürlich hier dann mit Fokus auf Wirtschaft.
Man kann das Spiel nicht durchspielen und doch könnte man sagen, dass bei einem Spieldurchgang die Luft nach ca. 20-30 Stunden raus ist. Das ist nicht bei jedem so, immerhin können manche solche Spiele über hunderte Spielstunden hinweg spielen, aber die meisten werden es nach einem erfolgreichen Ziel wahrscheinlich erst einmal weglegen. Das heißt nicht, dass man es nicht irgendwann weiterspielt, immerhin hat es einen Wiederspielwert, von dem andere Spiele nur so träumen können und auch alleine muss man nicht spielen.
So tiefgängig das Wirtschaftssystem auch ist, und das ist wirklich das Beste, was es auf dem Markt gibt, so sehr enttäuschen Kriegsführung und Weltereignisse. Events, die hier ausgelöst werden, sind in der Regel die Beachtung kaum wert und haben selten ernsthafte Auswirkungen. Sie versüßen das Wirtschaftssystem, geben noch etwas oben drauf, aber wären auch nicht wirklich notwendig gewesen, zumindest nicht in dem Maß, wie sie eingesetzt werden.
Gern würde ich jetzt noch vom günstigen Preis berichten, aber die Wahrheit ist, dass das Spiele einige DLCs hat und noch bekommen wird, und Fans somit mehr als einmal zur Kasse bitten wird. Hier gilt dann: Wer Spaß daran hat, wird auch gerne nochmals bezahlen oder auf ein günstiges Gesamtpaket warten.
Für diesen Test wurde uns ein Muster zur Verfügung gestellt. Wir bedanken uns herzlich für die Gelegenheit.
Tiefgründiges Wirtschaftssystem
Sehr viele spielerische Möglichkeiten
Viel Spielzeit
Übersichtliche Menüs
Viele Tutorialangebote, sehr gute Tutorialführung
Wenig für's Auge
Kriegsführung zu chaotisch, zu wenig Einflussnahme
Konsequenzen von Events zu seicht
Sobald man die Mechaniken durchdrungen hat, wenig fordernd
Harter Einstieg für Neueinsteiger*innen