Now Reading
Disciples: Liberation (PC) im Test

Disciples: Liberation (PC) im Test

Für diesen Test wurde uns ein Muster zur Verfügung gestellt. Wir bedanken uns herzlich bei Kalypso.

In Nevendaar herrscht eine düstere Stimmung. Einerseits leben diverse Kreaturen Tür an Tür oder besser: Land an Land, anderseits bahnt sich ein Krieg an. Und wie so häufig auch im realen Leben, ist auch dieses Mal eine kirchenähnliche Vereinigung nicht ganz unbeteiligt. Und wie so häufig stellt sich eine Person gegen Versklavung und andere Vergehen und scharrt Begleiter um sich.

Kritische Entscheidungen – direkt zu Beginn des Spiels

Avyanna ist dabei die Protagonistin des Abenteuers. Im Gegensatz zu anderen typischen Heldencharakteren ist sie nicht nur gut. Der Spieler kann ihre Entscheidungen steuern und so die Geschichte beeinflussen. Um nur ein Beispiel direkt vom Anfang zu nennen:

Avyanna und ihr Begleiter haben den Auftrag einen Priester zu töten. Sie besprechen die Vorgehensweise und der Spieler kann diese mit beeinflussen. Er kann beispielsweise sagen, dass er mehr über den Auftragsmord wissen möchte. Dadurch wird eine zusätzliche Aktion freigeschaltet, doch dazu gleich mehr. Er kann sich dafür entscheiden, den Priester zu töten und alle Beteiligten, um keine Zeugen zu hinterlassen. Er kann sich entscheiden, ob er mit einer List zum Priester gelangt, nur diesen tötet und schnell wieder verschwindet. Hat sich der Spieler für das Nachhaken entschieden, kann er seinen Begleiter losschicken, um die Wachen abzulenken und dann den Priester zu töten und schnell zu verschwinden. Alle Möglichkeiten lassen den Spieler aufhorchen und stellen ihn vor Entscheidungsmöglichkeiten, die prekär enden können.

Die Tatsache, dass alle Entscheidungsmöglichkeiten zu einem spielerisch sehr ähnlichen Ergebnis führen, ist dabei eher nebensächlich. Kaum ein Spieler wird drei Spielstände nebeneinander laufen lassen, um zu sehen, welche Auswirkungen seine Entscheidungen nun wirklich haben. Gut, im Gameplay spiegeln sich diese vielleicht nur marginal wider, Story technisch machen sie aber größere Unterschiede.

Nimmt man als Beispiel die Priester-Szene kann man den Priester im Gespräch direkt angreifen, ihn vorwarnen, bevor man ihn angreift oder sogar versuchen, sich als Kanalisations-Putzkolonne auszugeben.

Okay, das mit der Putzkolonne ist sehr fadenscheinig und wird sogar vom Gegner schnell erkannt und dementsprechend bestraft. Aber auch die Begleitperson wird sich noch eine Weile daran erinnern, wie armselig diese Lüge war.

Es gibt insgesamt 9 Begleiter

Und genau darum geht es bei Entscheidungen, die ein Spieler trifft: Sie müssen einem das Gefühl geben, als hätten sie Auswirkungen. Nimmt man als Beispiel Mass Effect, in dem man auch Entscheidungen treffen konnte, diese aber zuvor schon die Konsequenzen angezeigt haben und der Protagonist so oder so der Held der Geschichte war, spürt man in Disciples eine deutliche Verbesserung zu manch anderen Genre-Trägern.

Es gibt stets eine Vielzahl an Entscheidungsmöglichkeiten, die auch über das typische Schema „Gut oder Böse“ hinausgehen. So sind manche Entscheidungen Grauzonen oder Kompromisse oder manchmal auch einfach nur eine Entscheidung, die so fadenscheinig ist, dass man noch eine Zeit lang zu schmunzeln hat.

Diese Entscheidungen können im kleinen Rahmen vorkommen, etwa in einem Dialog. Sie können aber auch übergeordnet in einem größeren Umfang vorliegen. Zum Beispiel darf man direkt am Anfang zwischen einigen Fraktionen wählen, um seine eigene Armee aufzustellen. Jede Fraktion hat ihre eigenen Quests und Schwierigkeitsgrad. Die Reihenfolge ist dementsprechend entscheidend, wie schwierig das Unterfangen wird. Gleichzeitig drängt sie sich nicht auf, sodass der Spieler entscheidet, welchen Weg er gehen möchte, sich eine Strategie zurecht legen kann und das Spiel wieder ein Stück freier ist.

Freiheit heißt nicht zu große leere Spielwelt

Und damit ist nicht die Freiheit einer Open World gemeint, in der man sich stundenlang verlieren kann, um Fragezeichen abzuklappern. Disciples wird häppchenweise in Leveln serviert, auch wenn man sich in den einzelnen Leveln verlieren kann, immer weiterspielen und die Story voranbringen möchte.

Dennoch ist es erfrischend, wenn man ein Spiel in seiner eigenen Reihenfolge erleben kann und dies auch noch etappenweise geschieht. Auch Speichermöglichkeiten sind kein Problem. Man kann fast immer speichern und sich auf Kämpfe entsprechend vorbereiten.

In Disciples: Liberation wird nicht nur gequasselt. Dialoge und Story stehen zwar ganz vorne an und bilden mit den Fokus des Spiels, gerade da die Story auch sehr gut erzählt wird, die Dialoge spannend und interessant bleiben, aber das Spiel hat noch sehr viel mehr zu bieten.

Zum einen kann man sich in den Leveln sehr frei bewegen, eine überschaubare Menge an Nebenquests auf seine Art und Weise lösen und Ressourcen sammeln. Dazu kommen Brunnen, an denen man die Vitalität der spielbaren Charaktere wieder auffüllen kann. Auch kann man Gebäude übernehmen, um an mehr Ressourcen zu gelangen, doch hierfür kommt wieder der Kampf ins Spiel.

Kampf mit Herz und Verstand

Gekämpft wird in Disciples übrigens rundenbasiert. Man kann seine Truppe auf einem Hex-Gitter entweder im Nahkampf oder Fernkampf platzieren. Der Gegner tut es einem gleich und es gibt einige Hex-Zellen, die besonders sind und zum Beispiel heilen oder auch verbrennen oder umwerfen. Mit der Zeit werden diese häufiger und sorgen sogar schon bei der Bewegung für taktische Finessen.

Jeder Charakter hat Aktionspunkte. Manche Aktionspunkte dürfen nur für Angriffe, andere wiederum nur für Bewegung ausgegeben werden. Es gibt auch Aktionspunkte, die beides erlauben und genau da wird es dann auch interessant. Man kann sich nicht nur die eigenen Aktionspunkte anschauen und entsprechend reagieren, man kann auch den Gegner beobachten, es ausnutzen, dass er nur einmal zuschlagen kann oder gar nicht die Reichweite hat.

Neben Fern- und Nahkampfangriffen gibt es viele raffinierte Fähigkeiten, die nicht nur von taktischer Bedeutung sind, sondern in der Ausführung auch noch gut aussehen. Selbst die Begleiter werden mit sehr guten Fähigkeiten ausgestattet und können im Kampf den entscheidenden Vorteil bieten. Und das Schöne ist, selbst, wenn einem Avyanna stirbt, geht es noch weiter. Der Kampf kann bis zum letzten Mann entschieden werden – außer die Kampfbedingung wünscht sich etwas anders.

Nicht immer muss man einfach nur alle Gegner vernichten. Es gibt auch Situationen, in denen eine feste Anzahl an Runden überlebt werden muss oder auch andere Ziele entscheidend sind. Dies gibt dem Kampfgeschehen etwas Abwechslung und fordert.

08/15-Rollenspielelemente müssen halt auch sein

Ein bisschen Rollenspiel muss natürlich heutzutage auch sein. In Disciples kann man seine Burg ausbauen, seine Begleiter verwalten, Ausrüstungen wechseln und leveln. Die Fähigkeitenauswahl beim Leveln ist angenehm groß und gleichzeitig nicht zu groß, bietet aber auch nur an wenigen Stellen besondere Fähigkeiten, die einen Unterschied im Kampf machen. Ja, mehr Lebensenergie ist zwar von Vorteil, aber leider ist es auch eine Fähigkeit, die irgendwie stumpfsinnig wirkt. In so vielen Teilen des Spiels wurde ein sehr hohes Maß an den Tag gelegt, ob es nun die Grafik, die Charakteranimationen, das Reiten, das Erkunden oder der Kampf ist, alles ist über alle Maßen hin weit über dem Durchschnitt, detailliert und eindeutig mit viel Fleiß und Liebe gestaltet, sodass ein 08/15 Fähigkeitenbaum etwas heraussticht. Aber das ist ein sehr sehr kleiner Teil des Spiels und Meckern auf sehr hohem Niveau.

Disciples: Liberation setzt einen neuen Standard

Und genau auf diesem Niveau bewegt sich das Spiel auch. Es ist alles bis ins kleinste Detail gelungen. Allein, dass die meisten Gespräche vertont wurden, macht das Spiel noch lebendiger. Aber auch auf grafischer Seite ist nichts an dem Spiel auszusetzen. Das Level Design ist füllig, detailreich und passend. Die Charaktere sind perfekt in Szene gesetzt. Alles ist sehr ordentlich gestaltet und auch das HUD bleibt übersichtlich und leicht verständlich. Die Karten sind nicht zu linear, aber auch nicht zu weitläufig, dass man sich beim falschen Abbiegen ärgern würde.

Die Framerate bleibt wunderbar stabil oder hüpft, wenn überhaupt, nur in einem sehr hohen Framerate-Bereich, in dem es nicht allzu sehr auffällt.

Alles in allem erinnert Disciples: Liberation vom Aufbau und der Qualität her an Spellforce (nach der Bug-Bereinigung, die Disciples nicht benötigt). Aber auch andere Genre-Träger, die sich mit taktischen Gefechten, mit Aufbau-Einlagen und einer guten Story beschäftigen, können Disciples: Liberation als ihren neuen Standard anerkennen, um mich als Spieler abzuholen. Denn dieser neue Standard an Qualität, Spielspaß und Steuerung ist für mich neu gesetzt.

0
Masterpiece
97100
Pros

Sehr gut geschriebene Story/ Dialoge

Sehr gute Vertonung

Spannende Kämpfe

Ein guter Mix aus Aufbau-, Strategie-, Taktik- und Story-Spiel

Sehr gutes Fraktions- und Begleitersystem

Entscheidungen, die das Spiel und das Spielerlebnis verändern

Sehr gut designte, übersichtliche und unterschiedliche Level

Cons

Etwas lang, aber nicht zäh

Rollenspielelemente zu generisch

Scroll To Top