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»Little Nightmares 2« – Review

»Little Nightmares 2« – Review

Was macht ein gutes Horrorspiel aus? Also so ein richtig gutes Horrorspiel, das mit Schrecken verbunden ist, einen wach und vor allem am Spielen hält? Ist es die Grafik? Kann Fotorealismus für Immersion sorgen? Ist es Dunkelheit oder das Spielen mit einer ganz besonderen Form von Angst? Dieser Frage möchte ich mich am Beispiel von Little »Little Nightmares 2« stellen, einem Spiel, das wegen seiner Grafik gern als “Kinderhorror” bezeichnet wird. Kinderhorror, der dafür gesorgt hat, dass ich alle Lichter am Abend anmachen musste…haha

Hübsche Grafik, hässlicher Horror

»Little Nightmares 2« kommt in einem Gewand daher, das auf den ersten Blick eher als süß bezeichnet werden kann. Man schlüpft in die Rolle eines kleinen Jungen. Es könnte auch ein Mädchen sein, aber ohne Dialoge, Sprachausgabe, Zwischensequenzen, die einem alles haarklein erklären, ist das schon schwierig auszumachen.

Kinder, die Bäume ausreißen

Man spielt also ein Kind, das in einem Wald loslegt. Man kann eigentlich nur nach rechts gehen, wenn man vorankommen möchte. Die Stimmung ist angespannt, denn nicht nur der leichte Nebel, sondern auch die Musik im Hintergrund wissen für diese Atmosphäre zu sorgen. So geht man weiter, bringt sich das Springen und Schieben von Gegenständen bei – zwei der wichtigsten Grundmechaniken des Spiels.

So düster es auch ist und vor allem bedrückend, so faszinierend ist es auch. Man geht noch weiter, erklimmt seine ersten Hügel, schiebt seine ersten Kisten, um höher und somit auch weiter zu kommen. Immer weiter und weiter.

Hat man Bärenfallen und rollende Steine überlebt, landet man irgendwann bei einem Haus. Dieses Haus ist für die Verhältnisse eines Kindes riesig. Wie ein Schuft steigt man durch das Fenster ein, aus dem simplen Grund, dass die kleinen stakigen Arme nicht stark genug für die schwere Tür sind. Man klettert, späht durch Türen, schleicht und späht weiter. Gleich kommt etwas! Ganz sicher!

Diese KI ist besser als jeder Koop-Partner

Doch es kommt nichts. Vorerst. Man findet ein zweites Kind vor. Auch dieses spricht nicht. Man kann es rufen, manchmal gibt es Handzeichen, dass man zu ihm kommen soll. Ohne Worte versteht man sich dennoch blendend. Man sieht, wenn es Angst hat, man sieht, wenn es einem helfen möchte und man sieht, wenn es schaut, ob Gegner auch wirklich tot sind.

Oder manchmal rettet einen das andere Kind – okay, oft!

Irgendwann endet nämlich die Zweisamkeit. Irgendwann befindet man sich in einer Stadt mit unterschiedlichen Räumen, gar Kulissen, welche eine Horrorgeschichte nach der anderen erzählt. Friedhöfe und andere Gruselspekulanten sind zwar nicht dabei, aber eine Leichenhalle oder eine Schule, ja, die finden sich unter den Kulissen wieder.

American Horrorstory als Spiel

Nimmt man jede Kulisse als eigene kleine Horrorgeschichte, so hat jede Horrorgeschichte in diesem Spiel ganz eigene Horrorelemente.

Zwar verbleiben die Grundelemente Springen und Schieben, doch fordert das Spiel auch andere Fähigkeiten von Spieler*innen.

Mal muss man weglaufen, mal geschickt verstecken, mal schnell reagieren, mal vorsichtig sein, … Das Spektrum wechst von Kurzgeschichte zu Kurzgeschichte und nimmt bis zum bitteren Ende nicht ab.

Einfach gestrickt – na und?

Wie kann ein Spiel, das so einfach gestrickt ist, so viel Spaß machen?

Kurz gesagt: Die Abwechslung spielt hier die Musik. Dadurch, dass die Level meist einen Sektor haben, in dem man schleichen muss, einen Sektor zum Klettern, einen zum Rätseln und einen zum Weglaufen, ist es eine sehr gelungene Mischung aus Action, Horror und Ruhepassagen zum Erkunden und Rätseln. All diese Aspekte passen wunderbar aufeinander.

Hmmm…Verbrennungsofen gleich Gegner? Hmmm….oder Teddy?

Dazu kommt eine hauptsächlich durch Environmental Storytelling erzählte Geschichte. Man sieht Leichen und fragt sich, wie sie gestorben sind. Man sieht Kinder und fragt sich, ob es sich dabei um geschrumpfte Erwachsene handelt. Man sieht Blut, folgt diesem Blut und macht sich auf das Schlimmste gefasst. Es wird mit Erwartungen gespielt und diese werden bis zum Ende nicht enttäuscht. Dabei verzichtet das Spiel auf billig wirkende Jump Scares und setzt auf eine dichte Atmosphäre, gut eingesetzte Rätsel und den Kick an der ein oder anderen Stelle. Das Spiel wird mit seinen gut 4-5 Stunden Spielzeit nicht langweilig.

Da es ein geheimes Ende gibt, wenn man alle Hüte gesammelt hat, kann dies sogar ein Anreiz sein, das Spiel ein zweites und drittes Mal durchzuspielen, um alle Schatten zu finden und dieses freizuschalten.

Ende gut, alles gut?

Für seine knapp 30 Euro hat »Little Nightmares 2« mehr geliefert als der Preis vermuten ließe. Es ist ein sehr gutes Horrorspiel, das genau in den richtigen Momenten gruselig wird. Durch seine Grafik und Blutarmut geht dabei keineswegs der Horror unter. Im Gegenteil: Es zeigt, worauf es bei Horrorspielen ankommt.

»Little Nightmares 2« gehört zu den besten Horrorspielen, die ich jemals gespielt habe. Einen Haken gibt es allerdings: die Steuerung.

Ein Autounfall – man kann einfach nicht wegsehen. Kann ich das Auge rausnehmen?

Kamera, schwing mir das Lied vom Tod!

Man spielt ein Kind und da ist Hüpfen, Klettern und Schieben an der Tagesordnung. Die Kamera ist starr und lässt sich nicht bewegen. Wenn man nun also von einem Punkt zum nächsten springt, einfach von links nach rechts, sich sicher ist, dass man auf dem nächsten Punkt landen müsste und dann in den Abgrund fällt. Tja, dann sind Steuerung und Kamera sich nicht einig. Einerseits fördert die starre Kamera die Atmosphäre, setzt somit Horror ins richtige Licht. Anderseits stört es bei den Jump ‘n Run-Einlagen tierisch. So viele Tode hätten vermieden werden können, wenn doch nur die Kamera nicht wäre.

Wenn man stirbt, hat man aber immer einen fairen Checkpoint. Mehr als 1 Minute laufen ist in der Regel nicht gefragt. Sterben ist zwar meist ärgerlich, Frust kann bei der breiten Masse an Checkpoints aber nicht aufkommen. Außer man muss kleinen Kindern den Kopf einschlagen. Die rennen nämlich immer weg oder auf einen zu und wenn man dann nicht im richtigen Moment zuschlägt … nun ja, dann Checkpoint eben.

Insgesamt ist »Little Nightmares 2« so viel mehr als nur ein Nischenspiel. Es ist ein erstklassiges Horrorspiel, das ich jedem ans Herz legen kann. Eine Demo gibt es übrigens im PlayStation Store.

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Masterpiece
90100
Pros

Man stellt sich unterschiedlichen Ängsten

Keine billigen Jump Scares

Kein Blood and Gore als Horrorersatz

Environmental Storytelling

Bindung zu den nichts sagenden Charakteren

Cons

Kameraperspektive + Steuerung = Checkpoint laden

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